“Wer sich liebt, muss zusammen sein”, sei ihr Mann überzeugt. Gan-hee (Kim Min-hee), die das zu ihrer Gastgeberin sagt, war deshalb seit fünf Jahren noch nie von ihrem Mann getrennt. Und sie wird diese Tatsache in allen drei Episoden des Films „The woman who ran“, dessen Struktur entsprechend aus drei Besuchen beziehungsweise Begegnungen besteht, wiederholen. Zunächst besucht sie ihre frühere Freundin Young-soon (Seo Young-hwa), die geschieden ist und in einer ländlichen Region lebt. Gemeinsam mit einer jungen Nachbarin grillen die Frauen Fleisch, unterhalten sich über Vegetarismus und einen „abartigen Hahn“ und stellen am jeweiligen Gegenüber Veränderungen fest, die das Leben mit sich gebracht hat. So gesteht etwa Gam-hee ihrer Freundin, dass sie keine Lust mehr verspüre, Leute zu treffen und deshalb sehr zurückgezogen lebe. Viel zu reden oder Dinge zu tun, die sie nicht tun will, sei nämlich oft an zwischenmenschliche Begegnungen geknüpft.
Dass es vermutlich eine Differenz gibt zwischen dem, was die Protagonistinnen des Films sagen und dem Leben, das sie führen, schwingt in diesen Gesprächen, aus denen der betont schlicht gebaute Film hauptsächlich besteht, von Anfang an unterschwellig mit. Die Worte und Dialoge selbst erscheinen doppelbödig und wie eine äußere Hülle. Versteckt ist in ihnen eine tief sitzende Unzufriedenheit mit dem Leben und den Liebesbeziehungen. So genießt etwa die Pilates- und Tanzlehrerin Su-young (Song Seon-mi), die von Gam-hee als zweites besucht wird, ein unabhängiges, finanziell abgesichertes Leben in einer geschmackvollen Designer-Wohnung, beschwert sich aber über die koreanischen Männer. Ihr Verhältnis zu einem benachbarten Architekten ist noch vage; und ein junger, unglücklicher Dichter, mit dem sie eine Nacht verbracht hat, macht ihr eine Szene, was Gam-hee aus der tonlosen Distanz einer Überwachungskamera beobachtet.
Der vielfach ausgezeichnete südkoreanische Autorenfilmer Hong Sang-soo wiederholt und variiert in seinem auf den ersten Blick kunstlos erscheinenden Film „The woman who ran“ scheinbar absichtslos solche Szenen und Motive. In wenigen langen Einstellungen, die nur durch gelegentliche Zooms oder Schwenks „dramatisiert“ werden, gewinnt das scheinbar Beliebige jedoch Methode, wird das Vordergründige mehrdeutig und das bloß Angedeutete erhellt sich. Durch fortwährende Wiederholungen nutze sich das Gesagte ab und werde weniger authentisch, konstatiert schließlich Woo-jin (Kim Sae-byunk) mit Blick auf die Fernsehauftritte ihres Mannes. Gam-hee, die früher einmal mit dem mittlerweile bekannten Schriftsteller liiert war, trifft Woo-jin zufällig im Kulturzentrum „Fall in Fall“ in Seoul. Und sie hat auch eine kurze Begegnung mit ihrem früheren Gefährten, der dort eine Lesung hat.
Vieles bleibt offen, ungesagt und lediglich angedeutet, lässt aber Rückschlüsse auf ein krisenhaftes Beziehungsleben und schwelende Konflikte zu. Wenn Gam-hee vor und nach ihren Begegnungen im hausinternen Kino aber gleich zweimal in denselben „friedlichen“ Film geht, kann man allerdings vermuten, dass in den Filmen von Hong Sang-soo, der bewusst jegliche Verallgemeinerung und absichtsvolle Bedeutung vermeidet, die Wahrheit gerade aus den Wiederholungen und Variationen spricht. „Ich schätze die Dinge, die mir gegeben werden, die ich sehe und nicht suche“, sagt der Regisseur über seine Art des Filmemachens, das sich dem, was geschieht überlässt und folgt.