Es gibt den letzten Dreck. Und es gibt den letzten Dreck. Der eine Dreck aktiviert Teile des Hirnstammes oder der Amygdala und endet nicht selten mit dem Kopf über der Kloschüssel oder der Faust im Gesicht des Urhebers. Der andere ist nicht so einfach zu fassen. Es ist ein Dreck, in dem der Mensch gerne die Hände versenkt, mit dem er sich einsudelt und in dem er sich mit schamrotem Kopf herumwälzt und dabei kichert.
Kichern und einsudeln lässt es sich bei Roland Emmerichs neuestem brachialen Wurf, dem Kriegsactionfilm „Midway“, zuhauf. Dass unsa Schchwaaabe in Hollywood das grobe Handwerk des Kinogewerbes versteht, hat er bewiesen: Er kann vom Alltagsdreck ablenken. Die Betonung liegt allerdings auf „grob“: Hauptsache, es kracht und flutscht wie Sex mit einem Gleitgel aus dem Online-Erotikhandel. Schon aus einer Tradition heraus – und um Kröten zu verdienen – muss der Mainstream bedient werden.
Doch die Deutschen mögen ihn nicht mehr so gerne: Nur eine Woche lang hielt sich „Midway“ in den Kino-Top-Ten. In den Staaten kam die cineastisch aufgemotzte Rekonstruktion einer Pazifik-Kriegschlacht zwischen den USA und Japan anno 1942 deutlich besser an. Kein Wunder. Sie haben Schlacht und Krieg schließlich gewonnen. So mag die Unlust des BRD-Publikums auch daran liegen, dass sie Emmerich längst als einen Überläufer betrachten. In „Midway“ lässt der keine beliebten deutschen Gemütszustände aufkommen. Alles geht ratzfatz, kämpfen, fliegen, verhandeln, explodieren, salutieren, sterben. Da bleibt kein Augenblick für Depression, Hass und Seelenqual, da bleibt nicht mal Zeit für Charakterstudien der Protagonisten (Protagonistinnen gibt es keine, nur Ehefrauen) so wie beim „Joker“, in dessen Leid man(n) sich suhlen und winden kann, weil man(n) die eigene Zurichtung nicht spürt.
Die Visagen in „Midway“ sind trotz bekannter Nasen wie Woody Harrelson und Dennis Quaid austauschbar. Das liegt nicht an den Darstellern, sondern an der knappen Zeit, in die eine gigantische Ereigniskette gepresst ist. Da die Optik ohnehin aus denselben digitalen Quellen schöpft, hätte Emmerich zum Thema – zumindest aus künstlerischer Sicht – lieber ein Videospiel entwickeln sollen, das mehr Platz zum Verständnis der Abläufe bietet. In seiner stumpfen Atemlosigkeit wirkt der Film oft wie ein schlechter Witz. So wie die Tatsache, dass der – historisch verbürgte – Kriegsheld Dick Best hieß. Umgedreht Best Dick – bester Schwanz.
Diese Kritik erschien zuerst in: KONKRET 01/2020