„Starcrash“ ist zweifelsohne der wunderschönste aller Science-Fiction-Filme – nicht der visionärste, beste, innovativste und bei weitem Abstand auch nicht der handwerklich beste, aber er ist auch mit Sicherheit nicht der schlechteste Film aller Zeiten. Wer die Begeisterung der SFX-Kunsthandwerker hinter der mangelnden Perfektion, die überbordende Fantasie und ebensolchen Gestaltungswillen Luigi Cozzis hinter dem hanebüchenen Unsinn, den er da verzapft, und vor allem diese stellare Farbenpracht, die einem da präsentiert wird, nicht zu sehen und wertzuschätzen weiß, der hat wirklich eine sehr eingeschränkte, verschlossene und lieblose Kinorezeptionshaltung.
Und nicht nur, dass diese Haltung den Zuschauer quasi sehbehindert macht, sie wird von der SchleFaZ-Sendung ja schon vollkommen in sich geschlossen vorgegeben. Und nun gibt es also von den Machern dieser Sendung ein Buch, in dessen Vorwort zwar viel von Liebe gesprochen wird, die sich hinter der Häme verstecken soll, von ebendieser Liebe ist aber nichts zu spüren. Jeder der hundert Filme kriegt zwei Seiten, von denen eine die Bildseite, die andere die Textseite ist – sozusagen. Aber anstatt dass auf der Bildseite die häufig wundervollen Poster – die ja auch oft schon vor dem Film gemacht wurden – zu bewundern sind, gibt es schlechte Bilder aus der Sendung und nur eine kleine Version eines häufig bearbeiteten (oder schlecht ausgesuchten) Posters. Keine bunten Sterne und Planeten aus „Starcrash“, keine abstrusen shark kills aus den vielbehandelten Sharxploitation-Werken, keine leichtbekleideten, schönen Frauen, keine knuffigen Monster. Wer diese Art von Filmen wirklich liebt, kann doch nicht auf die häufig geradezu halluzinogenen Qualitäten ihrer Bilderwelten vollständig verzichten, wenn man schon das Budget für viele Farbbilder hat.
Aber schlimmer noch sind die Textseiten, da sie da noch nicht mal an ihre eigene Sendung glauben: Oder wie ist es zu erklären, dass sie neben den notdürftigsten Credits, langweiligsten Kurzinhaltsangaben, zwei, drei Wissensnuggets von der unnützesten Sorte, nur zwei, drei von ihren für Kalkofe typisch überkonstruierten Spottsätzen „zitieren“? In den Sendungen hatten sie wenigstens mehr zu den Filmen zu sagen, auch wenns nur Häme war. Zu „Braham Lincoln vs Zombies“ schreiben sie doch ein recht interessantes Trivia-Bit, nämlich, dass der Hauptdarsteller Bill Oberst Jr. die Gettysburg-Rede mehr oder weniger auswendig konnte. Wie hoch angesehen seine Performance bei den einschlägigen aber anerkannten Websites war – was auf seiner englischen Wikipediaseite nachzulesen ist –, darauf gehen sie nicht ein.
Überhaupt haben sie nichts Interessantes zu dem leidigen Thema „Warum geben sich namhafte Schauspieler immer wieder für so einen Schund her?“ beizutragen, außer aufzuzeigen, dass da manche eben doch auch bessere Tage gesehen haben. Dabei sind viele Schauspieler pragmatischer und enthusiastischer und selbstironischer, als Filmfans allgemein, aber besonders auch diese sogenannten „Trashfans“ ihnen zugestehen würden. Christopher Plummer hat nach eigenem Bekunden in „Starcrash“ mitgemacht, weil er so die Chance hatte, in Rom ein bisschen Zeit zu verbringen, wofür er sogar Pornos drehen würde, außerdem spielte die Schönheit Caroline Munro mit, und es mache nun mal einfach Spaß, den Beherrscher des Universums zu geben. Als Judd Hirsch gesagt wurde, dass er in „Sharknado 2“ von einem Hai gefressen wird, entgegnete er wohl nur: „I’m in!“ Und John Heard wusste von vornherein, dass der erste „Sharknado“ ein Hit werden würde, und wäre sogar bereit gewesen, trotz seines Ablebens in besagtem ersten, irgendwie in einer der Fortsetzungen dabei zu sein, als verschollener Zwillingsbruder. Die Schauspieler wissen ja wie jeder andere auch, was sie von Filmen wie denen der berüchtigten Firma The Aylum (ein beliebtes Ziel des SchleFaz-Spotts) zu erwarten haben. Schon der Titel „Sharknado“ sagt einem alles! Der enthält das Konzept, die Produktionsbedingungen und die Rezeptionshaltung in einem Wort. Die Macher und die Filme unterwandern ja eigentlich die Intention der Sendung und des Buches vollkommen: Warum muss man so viel kostbares Papier darauf verschwenden, auf so lustlose Weise über harmlosen Haifisch-Spaß herzuziehen?
Und warum man sich im 21. Jahrhundert immer noch unter der Trash-Prämisse an „Plan 9 From Outer Space“, Corman, Italo-Ripoffs und Troma abarbeiten muss, war auch schon ein Rätsel der Fernsehsendung bzw. wohl dem Tele5-Bestand/Budget geschuldet. Aber warum da noch ein Buch hinterherjagen, wenn man sich noch nicht mal die Mühe macht, mehr als eine Hardcover-Broschüre für die Sendung zu produzieren? Die Trivia-Infos scheinen von einem Praktikanten an einem Nachmittag von IMDB und Wikipedia zusammengeklaubt. Überhaupt kann die Gestaltung, Recherche, das Verfassen, Redigieren und Fertigstellen der Buchdatei für den Druck allenfalls einen Studierenden für einen Tag beansprucht haben. Man wäre ja willens zu sagen, dass die Macher einen den billigproduzierten, anspruchslosen Konsumgütern, die diese Filme ja auch sind, gemäßen Aufwand betrieben hätten, aber dann stellen sich die Fragen: Warum einen „richtigen“ Verlag? Warum Hardcover? Und eine doch recht reiche Bebilderung (was bei Filmbüchern nicht immer gegeben ist)? Warum kein billiges Papier? Warum knapp 20 Euro teuer?
Dieses Geld kann man nützlicher investieren: in den Besuch der vielen Minifestivals und Filmclubaufführungen, die in den meisten Großstädten und teilweise auch in der Provinz wachsen und gedeihen, bei denen wirkliche Enthusiasten mit viel Liebe und Kenntnis auch obskurster Ecken des Kinos ein Programm jenseits des Kanons (auch teilweise des „Trashkanons“) kuratieren, das auch skeptischste Zuschauer auf hingebungsvolle Schatzsuche schickt. Oder in Blu-rays/DVDs von (häufig Kleinst-)Labels, die auch so vermeintliche SchleFaze wie Luigi Cozzis „Hercules“ in hochwertiger Qualität und mit liebevoll zusammengestellten Features wie einem kenntnisreichen und hingebungsvollen Booklet-Essay von Filmkritiker par excellence Oliver Nöding veröffentlichen. Dieser wiederum versucht seit Jahren, mit offenen Augen, großem Herz und Verstand und durchaus ausgeprägtem Abstrusitätsbewusstsein immer wieder die Ehre des Trashs zu retten. Sein freudiges Kopfschütteln beim Betrachten auch des hanebüchensten Unfugs ist in seinen Texten stets spürbar, wenn er z. B. ohne jede Häme über „Argoman“ schreibt, dass er „ein großer, unbeschwerter, kindischer Spaß, nicht Ultra-, sondern Argokunst sozusagen“ sei. Überhaupt kann man zu vielen SchleFazen etwas auf seinem Blog finden, das man lesen sollte, um dann mit einer vielleicht leicht verschobenen Wertschätzung diese Filme anders zu rezipieren: offener, unvoreingenommener, liebevoller, kindlicher.
Alles, bloß nicht für ein Machwerk Geld verschwenden, das mit ziemlicher Sicherheit eins ist: das schlechteste Filmbuch zurzeit.
Oliver Kalkofe, Peter Rütten: „Die 100 schlechtesten Filme aller Zeiten“.
Riva Verlag, München 2019. 208 Seiten. 19,99 Euro