Sie mögen es, wenn in einem zu etwa 70 Prozent aus sinnfreien Explosionen bestehenden, rasant geschnittenen Spielfilm zwei Muskelmänner, die zusammengenommen ungefähr das Schauspieltalent eines Besenstiels haben, fortwährend in Motorrad- und Autoverfolgungsjagden verwickelt werden und mit grimmem Blick automatische Schnellfeuergewehre abfeuern? Wenn die Welt mittels ein paar dummer Stammtischsprüche und gezielter Fausthiebe gerettet wird? Wenn die Darsteller sich nahezu ununterbrochen zünftige Kloppereien liefern und dabei wahlweise Kampfsportkunststückchen aufführen oder wiederholt durch effektvoll zersplitternde Fensterscheiben krachen? Wenn Panzerfahrzeuge mit lautstarkem Wumms durch Wände fahren, als seien diese aus Pappmaché, und unablässig Tak-tak-tak-Maschinengewehrfeuer dazu ertönt? Wenn Männer schreiend mit Keulen oder anderen Schlaggerätschaften aufeinander losgehen, von Hochhäusern oder aus Helikoptern fallen? Wenn Frauen nahezu ausschließlich als mit Dessous bekleidete Waffenfetischistinnen vorkommen? Und wenn ein Bösewicht extrem einfältige Bösewichtsätze sagt? Sehr gut. Dann dürfte dieser Film, der „mit seinen ausgeklügelten Stunts und gut gelaunten Stars zu den Action-Highlights des Kino-Sommers gehört“ („Bild“), genau das Richtige für Sie sein.
Damit es kein reiner Geräusch-Actionfilm ist, sagen die beiden Muskelberge, die hölzern durch den Film turnen, auch schwer testosteronhaltige Dialoge auf, die von den Schimpansen, die mutmaßlich das Drehbuch geschrieben haben, möglicherweise für ein Feuerwerk der Komik gehalten werden, tatsächlich aber nur brummdummes Mackergequatsche sind: „Wenn ich deine Fresse sehe, ist es, als würde Gott mir mit voller Wucht ins Gesicht kotzen.“ Und: „Ich schieb dir meinen Schuh so tief in den Arsch, dass du eine Woche lang Schnürsenkel spuckst.“ Allerdings ist zu vermuten, dass die deutschsprachige Fassung des Films, von der hier die Rede ist, ihren ganz und gar witzfreien enervierenden Dieter-Bohlen-Stil erst durch eine unterirdisch schlechte Synchronisation erhalten hat. Im US-amerikanischen Original mag der eine oder andere Oneliner einigermaßen originell sein, ich habe es nicht überprüft.
In Österreich nennt man ein solches überwiegend aus tausendfach so oder ähnlich bereits gesehenen Actionsequenzen bestehendes Machwerk einen „Tschinbum-Film“, was ein überaus treffender, weil auch lautmalerischer Begriff dafür zu sein scheint. Solche Filme sind in unserer Gegenwart immer noch oder wieder sehr populär, wohl auch deshalb, weil sie den derzeitigen Stand der sozialen und intellektuellen Entwicklung der Menschheit sehr gut auf den Punkt bringen. Man könnte in diesem Zusammenhang auch vom Phänomen der sogenannten galoppierenden Rückverdummung sprechen: Eine intakte leistungsfähige Kulturindustrie gestaltet ihre Produkte passgenau zum aktuellen Grad der Verblödung der Gesellschaft. Oder anders gesagt, in den Worten der „Berliner Morgenpost“: „Der Schauwert ist enorm.“ Wer denken will, ist also im falschen Film.
Worum es überhaupt geht? Ein niederträchtiger Technikkonzern mit einer eigenen Söldnerarmee (viel Statistenmaterial zum Niederballern), der obendrein die Medien kontrolliert, will in den Besitz eines Virus kommen, mit dem er die halbe Welt („die Schwachen“) auszurotten gedenkt. Seine Ideologie ist eine Art transhumanistischer Technikfaschismus: Eine Elite soll in die Lage versetzt werden, ihre Körper durch implantierte Technik zu „optimieren“, der überflüssige Teil der Menschheit soll ausgerottet werden. Unsere zwei männlichen Helden (und die Schwester des einen von den beiden, in deren Körper das von den Bösewichtern benötigte Virus steckt), also die oben genannten Testosteronbolzen, verhindern dies im Alleingang, indem sie sich brüllend durch den Film prügeln und schießen, um schließlich zunächst in der geheim gehaltenen und von einer Privatarmee gesicherten ukrainischen Konzernzentrale die logischerweise total wichtige „C-17-Virus-Extraktionsmaschine“ zu erbeuten und hernach auf der Insel Samoa mit der Hilfe eines mit Faustkeilen und Motorradketten bewaffneten samoanischen Familienclans aus Autoschraubern (nein, fragen Sie nicht!) die Söldnerarmee in die Flucht zu schlagen.
Die Automobilkundenfachzeitschrift „Focus“ ist allerdings schwer enttäuscht von „Fast & Furious: Hobbs & Shaw“: „Dem Spin-off fehlen Autorennen, Verfolgungsjagden und getunte Karosserien. Das Auto steht nicht mehr im Mittelpunkt.“
Dieser Text erschien zuerst am 01.08.2019 in: Neues Deutschland