Ein unerwarteter Blick auf das Leben im Iran mit dokumentarischem Touch. Um sich aus allen Wirren und Verwicklungen herauszuhalten, hat sich der integre Fischzüchter mit Frau, einer Schulrektorin, und Kind in den Norden verzogen. Aber die Familie wird ihres Lebens nicht froh. Die allgegenwärtige Korruption macht ein integres Leben unmöglich. Nichts läuft, ohne den anderen mit Geld zu schmieren, zu erpressen, zu nötigen, zu ruinieren. Der Film spart nicht mit Beispielen: Islamwächter von der Moschee, Polizisten, Lehrer, Banker, alle – bis zum Investor, der das Fischzuchtgelände haben will.
Was kann unser wackerer Familienvater dem entgegensetzen? Seine Prinzipien. Er wird zu einem iranischen Michael Kohlhaas. Bald sind seine Fische tot, der Wasserlauf ist abgegraben, der Sohn droht von der Schule zu fliegen, das Haus geht in einer surrealen Szene in Flammen auf. Aufreger ohne Ende. Aber: Die drei Familiendarsteller zeigen keine Spur von Aufregung oder sonstiger Emotion. Der Exfischzüchter hat ein geradezu maskenhaftes Gesicht. Sich aufzuregen, ist uns vorbehalten. Die Rezeption wird gemeinsame Sache von Filmmachern und -zuschauern.
Im Iran drehte Mohammad Rasoulof, der dort 2010 zusammen mit dem Regisseur Jafar Panahi verhaftet wurde und die Familie mittlerweile nach Hamburg gebracht hat, Landschaftsaufnahmen. Sonst nutzte er Studios in Prag. Weil er sich weigerte, den Film nach den Vorstellungen der iranischen Zensurbehörde zu ändern, wartet er nun auf ein Gerichtsverfahren und kann aus dem Iran nicht ausreisen. In Cannes wurde „A Man of Integrity“ ausgezeichnet.
Wer fürchtet, der Film verliere sich in Mitleid mit den Korruptionsopfern, erlebt eine Überraschung. Im Iran „gilt das Entweder-Oder. Entweder bist du Unterdrücker oder Unterdrückter.“ Entscheidung: „Ich kämpfe jetzt!“ Was die anderen können, können der „Man of Integrity“ und seine Frau schon lange, so dass ihm der in die Enge getriebene Investor schließlich einen Job anbietet. Tja, ist das nun ein schönes Märchen? Oder ein Den-Gegner-mit-seinen-Waffen-Schlagen? Denk doch, was du willst. Mit der Mitleidsmasche ist Schluss. Du bist frei.
Dieser Text erschien zuerst in: KONKRET 05/2019