Wie oft haben wir das zu Beginn eines Films eigentlich schon gesehen: Wälder aus der Vogelperspektive. Ein Auto, das eine beschauliche Landstraße entlangfährt. Dazu die übliche Heile-Welt-Musik. Die Kamera fährt auf ein Haus zu, das Eigenheim unserer aufgeräumt wirkenden All-American-Family (Vater, Mutter, Tochter, Sohn, Katze), das hübsch in der ländlichen Einöde liegt: Unser Blick fällt auf eine offene Autotür, auf pfützengroße Blutflecke an der geöffneten Haustür. Puh, das sieht nicht gut aus. Doch halt! Stop! Dieser kurze Blick ins Finale unseres Films muss erst mal reichen. Ab jetzt alles schön der Reihe nach, wie es sich gehört.
Ja, die Konventionen des Genres werden hier, in der Neuverfilmung des Stephen-King-Bestsellers „Friedhof der Kuscheltiere“, einigermaßen strapaziert: Am Anfang ist unsere Saubermannfamilie wie immer guter Dinge: neues Eigenheim in der Provinz, die putzigen wohlerzogenen Kinder sind brav, und auch der pensionierte Nachbar, ein kauziger Witwer mit Baseballkappe, der ausschaut, als hätte man ihn soeben aus einem Werbespot für Gartengeräte geholt, ist freundlich und hilfsbereit, alles also paletti so weit.
Irgendwann setzt dann logischerweise unvermeidlich die unheilverkündende Musik ein. Die beinhart durchstereotypisierte Handlung kennt man ja schon: Katze wird überfahren, auf dem vergessenen Indianerfriedhof hinterm Haus bestattet und kehrt als untote Arschgeigenkatze zurück: Fortan ist sie hyperaggressiv, faucht bei jeder Gelegenheit, stinkt und hat undefinierbare eklige Bröckchen im ungekämmt wirkenden Fell kleben. Zugegeben: Kein schöner Anblick, aber immerhin ist die Katze zurück unter den Lebenden. Man musste die unorthodoxe Wiederbelebungstechnik ja um der Kinder und des Familienfriedens willen anwenden. Kurz darauf wird dasselbe mit der Tochter durchgespielt: Autounfall, Bestattung, Trauer, dann wird die Leiche auf den heiligen Indianerfriedhof geschafft, und schließlich kehrt auch die Tochter mit auffällig bläulicher Gesichtsfarbe und deutlich veränderter Persönlichkeitsstruktur von den Toten zurück. Kennt man ja. Aus dem Roman oder der ersten Verfilmung aus dem Jahr 1989.
Es werden die handelsüblichen Mätzchen und Schockeffekte aufgefahren: Da gibt es etwa dicke Kunstnebelschwaden auf dem mysteriösen, vom Kunstmondlicht bestrahlten Friedhof, der bisweilen aussieht, als sei er aus Plaste und Elaste im Studio aufgebaut worden. Bei jedem Gang in die ungenügend beleuchteten Kellerräume flackern erwartungsgemäß die Glühbirnen. Es gibt Türen, die sich zur Unzeit plötzlich wie von Geisterhand öffnen und die typischen beunruhigenden Quietsch- und Knarrgeräusche von sich geben. Die dem Ganzen unterlegte Musik ist das aus Dutzenden vergleichbarer Streifen zur Genüge bekannte unheilvolle Sirren und Brummen. Unsere Protagonisten haben beunruhigende Visionen und Tagträume: Im Badezimmer läuft plötzlich zähflüssiges Kunstblut aus dem Spiegelschränkchen. Und wenn nach einem Messer gegriffen wird, sieht dieses immer genau so aus wie das überdimensionierte Bratenschneidmesser, das wir aus Hitchcocks „Psycho“ kennen und das seither in jedem zweiten Slasher- und Horrorfilm zu sehen war.
Eins muss man dieser Neuverfilmung allerdings lassen: Dafür, dass es sich um eine klassische Mainstream-Horrorthriller-Produktion handelt, wartet sie mit einem ungewöhnlichen Schluss auf, der das traditionelle Bild der bürgerlichen Familie in, sagen wir: neuem Licht erscheinen lässt.
Dieser Text erschien zuerst am 05.04.2019 in: Neues Deutschland