Florian Henckel von Donnersmarck mag sich für einen Künstler halten. Er ist es nicht. Das offenbart seine von Deutschland für den Oscar eingereichte Künstlerbiografie „Werk ohne Autor“ mehr als jede wissenschaftliche Analyse. Sie erstreckt sich von der NaziZeit (schlimm) und der Bombardierung Dresdens (genauso schlimm) über die DDR (auch irgendwie schlimm; siehe „Das Leben der Anderen“) bis in die BRD (ein Hoch auf den Siegerstaat) und dauert, da haben wir noch mal Glück gehabt, nicht über 30 Jahre, sondern nur drei Stunden.
Um echte künstlerische Positionen oder ein freies künstlerisches Leben geht es nicht. Im Zentrum stehen ein Maler (gut) und ein Nazi-Arzt (böse). Daraus hätten andere (Luchino Visconti, Quentin Tarantino, Walter Moers) Manierliches machen können. Von Donnersmarck verhunzt schon seinen NS-Superschurken: Der ultrafiese Gynäkologe vergreift sich nicht etwa an „zigeunerischen Sippen“ (Himmler) oder am „durchgifteten Ding“ (Luther über Juden) wie die obernetten, rechtschaffenen Nazis. Nein, er vernichtet deutsches Leben. Unwertes zwar, aber deutsches. Er sterilisiert Volksgenossinnen mit Schizophrenie oder Down-Syndrom oder schickt sie in die Gaskammer. Bestraft wird er dafür nicht. In der DDR nimmt er eine Abtreibung an der eigenen Tochter (Gattin des Künstlers) vor, weil sie das Kind mit einem Nichtsnutz zeugte. Wieder deutsches Leben vernichtet. Sauerei!
Neben dem, ähem, sehr eigenwilligen Nazi-Bild, das die Rassentheorie fröhlich ausklammert, und der Assoziation von Abtreibung mit Euthanasie offenbart Henckel trocken nicht zum ersten Mal sein seltsames Frauenbild: Bei ihm ist das Weib Mutter, Nazi-Betthäschen, oder es will zwanghaft Mutter werden. Die Sehnsucht der Künstlersgattin nach Reproduktion nimmt wahnhafte Züge an. Die einzige halbwegs brauchbare Frauenfigur (die aber entweder nackt ist oder ganzkörperorgasmiert) wird schnell entsorgt (Gaskammer) und dient dann tot dem Gerhard-Richter-Verschnitt als Inspiration.
Als Kostprobe eine Szenenfolge: Das nackte Künstlerehepaar rollt über den Wohnungsboden. Schnitt: Künstler allein im Atelier – er hat die Inspiration seines Lebens. Schnitt: Das Paar rollt und fickt. Schnitt: Weiter geht’s mit der Inspiration des Mannes. Schnitt: Koitus. Schnitt: Kunst. Bei diesem Sex kommt’s zur heißersehnten Schwangerschaft, vom Donnermann romantisch verklärt. Der Subtext geht anders: Der Mann spritzt doppelt ab. Er schwängert die Frau und kreiert fast gleichzeitig sein Megawerk. Das Weib darf nur beim Gebären schöpferisch tätig sein. Und für diesen reaktionären Murks kriegt der donnernde Balken gleich eine ganze Riege wunderbarer Schauspieler. Gemeinheit!
Dieser Text erschien zuerst in: KONKRET 10/2018