Kate Bush begnügte sich auf ihrem bislang letzten Studioalbum damit, „50 Words of Snow“ aufzuzählen – da ist Isa Prahls Debütfilm schon weitaus ambitionierter, zumindest im Titel. Wirklich regendurchnässt wird es für die zumeist abwesende Hauptfigur des Films allerdings nicht, verschanzt sich Mike doch permanent in seinem Zimmer. Der Teenager ist gerade achtzehn Jahre alt geworden, ist weder krank noch mutmaßlich geistig gestört, er gefährdet weder sich selbst noch andere, also ist für seine Eltern an der verbarrikadierten Zimmertür erst mal Schluss. Der Geburtstagskuchen und das Ständchen werden unmissverständlich mit laut aufgedrehter Musik beantwortet, das steinerweichende Kratzen des Familienhundes stößt auf taube Ohren. Die Tür bleibt zu.
In Japan wurde für dieses Verhalten vor rund zwanzig Jahren der Begriff „Hikikomori“ geprägt und seit einiger Zeit schwappt dieses Phänomen auch in die westliche Welt herüber. Sei es der Leistungsdruck in der Schule, angespannte Familienverhältnisse oder diffuse Zukunftsängste – insbesondere der männliche Nachwuchs igelt sich immer häufiger ein. „1000 Arten Regen zu beschreiben“ ist der Film zum Thema, ohne je in die Gefahr zu geraten, ein Themenfilm zu sein. Dafür wendet er den geschickten dramaturgischen Kniff an, den Zuschauer gemeinsam mit der Restfamilie außen vor zu lassen. Nie dürfen wir das Zimmer betreten, nie Mikes Motivation erfahren. Die unterschiedlichen Bewältigungsstrategien sind es, die diesen Film ausmachen, die Ohnmacht des Vaters, der sich vor der untragbaren Situation mehr und mehr in seine Arbeit flüchtet, die verständnisvolle Mutter, die nach wie vor das Essen für ihren Sohn bereitstellt und auf eigene Faust Nachforschungen in Mikes ehemaligem Umfeld anstellt. Und schließlich die jüngere Schwester, mit der Mike hin und wieder Zettelchen mit bemerkenswerten Regenphänomenen unter der Tür durchschiebt. Sie alle werden von Mikes Entschluss mehr durchgeschüttelt, als es ihnen lieb ist, und der Anschein der intakten Familie samt Sohnemann, der vorgeblich für ein paar Monate in den USA weilt, kann ohnehin nicht lange aufrecht erhalten bleiben.
Das Leben an der verschlossenen Tür weicht im Laufe des Films mehr und mehr einer Außenwelt, in der sich die Familienmitglieder von der belastenden Situation freistrampeln, neue Beziehungen eingehen, erwachsen werden. Die Inszenierung dieser individuellen Suchen bleibt dabei stets unaufgeregt und zurückhaltend, beinahe schon routiniert, was für einen Debütfilm fast ein wenig schade ist. Auch Bibiana Beglau und Bjarne Mädel fügen als Mikes Eltern ihrem bekannten Rollenspektrum wenig Neues hinzu. Etwas dankbarer fällt da schon die Figur der pubertierenden Schwester Miriam aus, die Emma Bading mit großer Neugierde füllt – und auch mit einem gewissen Gespür, weshalb sich ihr Bruder bewusst für den Rückzug entschieden hat. So gelingt es dem Film letztlich auch, mit einem hoffnungsvollen Ton zu enden. Die verschlossene Tür, die anfangs vor allem als Spiegel fungierte, die übrigen Familienmitglieder auf sich selbst zu fokussieren, wird schließlich zum Sprungbrett in ein runderneuertes Leben – und „1000 Arten Regen zu beschreiben“ zum Coming-of-Age-Film für mehrere Generationen.