Die ersten Bilder sind ganz auf die Heldin des Films, eine schöne junge Frau konzentriert. Sie lösen Katherine (Florence Pugh) zunächst aus dem umgebenden Raum, umschließen ihr Gesicht mit einem Schleier. Hinter diesem sind die Blicke noch unruhig und unsicher, als sie zu Beginn von William Oldroyds Spielfilmdebüt „Lady Macbeth“ mit Alexander Lester (Paul Hilton) verheiratet wird. Doch eigentlich wurde Katherine von dessen Vater Boris (Christopher Fairbank), einem reichen Minenbesitzer gekauft, um die Nachkommenschaft der Familie zu sichern. Im viktorianischen England Mitte des 19. Jahrhunderts, wo Theaterregisseur Oldroyd und seine Drehbuchautorin Alice Birch ihre Adaption von Nicolai Leskows Novelle „Lady Macbeth aus Mzensk“ von 1865 spielen lassen, sind die gesellschaftlichen Hierarchien rigide und die Umgangsformen von eisiger Kälte. Diese korrespondiert mit der Stille einer erdrückenden, aus der schieren Leere eines unbewegten Zeitstroms aufsteigenden Einsamkeit.
Katherine ist die Gefangene eines Besitzers. Und das weitläufige Haus, das sie möglichst nicht verlassen soll, ist ihr Gefängnis. Geschnürt in ein Korsett und ausgeschlossen vom gesellschaftlichen Leben, leidet sie unter einer quälenden Langeweile, die William Oldroyd mit formaler Strenge in präzisen, statischen und aufs Wesentliche konzentrierten Einstellungen vermittelt. Männliche, von Macht und brutaler Willkür geleitete Kontrolle und erzwungene weibliche Unterwerfung gipfeln schließlich in einem merkwürdigen sexuellen Paradox: Während der Schwiegervater Katherine wiederholt ermahnt, ihre „ehelichen Pflichten zu erfüllen“, verweigert Alexander in einer Mischung aus Angst, Wut und demütigender Verachtung den geschlechtlichen Vollzug. Selbst die sexuelle Unterwerfung erscheint pervertiert angesichts eines sich herrscherlich gebärdenden Mannes, der gleichermaßen von Hass und Selbsthass zerfressen ist.
Die dumpfe, freudlose Lethargie beginnt aufzubrechen, als die Männer aus (vorgeblich) geschäftlichen Gründen für längere Zeit das Haus verlassen. Auch die naturverbundene Katherine geht entgegen dem Verbot nach draußen. In der weiten, rauen Landschaft, die sich als existentieller Kontrast und als Spiegelbild der Gefühle verstehen lässt, begegnet sie in einer Mischung aus Anziehung und Abstoßung dem aufwieglerischen Stallburschen Sebastian (Cosmo Jarvis). Sich der Etikette, den Vorschriften und dem Standesunterschied wiedersetzend, stürzt sich Katherine wie besessen in eine leidenschaftliche Affäre mit dem dunkelhäutigen Gutsarbeiter. Von Lust und sexueller Gier getrieben, verlieren die beiden alle Vorsicht und Hemmungen. Zu allem bereit, überschreiten sie unumkehrbar Grenzen und werden schuldig. Als Symbol ihrer tödlichen Rebellion gegen patriarchale Strukturen fungiert eine Katze. Fast unmerklich dynamisiert Oldroyd in seinen düsteren Bildern diesen Absturz aus der kompromisslosen Liebe ins kalte Verbrechen, das den Schock verdichtet, die Geschichte der Gewalt fortschreibt und letztlich die Ordnung der Gefangenschaft bestätigt.