Zwei junge Menschen in einem Raum lesen sich Briefe vor, die auf sehr poetische Weise von der Liebe handeln und von der Literatur. Die Dichter Ingeborg Bachmann und Paul Celan, ein ungleiches, aber seelenverwandte Paar, haben sich diese ab Mitte 1948 geschrieben, nachdem sie sich im Frühjahr in Wien kennengelernt hatten. Jetzt, nach den traumatischen Erfahrungen des Krieges, lebt der 1920 in Czernowitz geborene Jude in Paris, wohin die 23-jährige österreichische Philosophiestudentin ihre sehnsuchtsvollen Zeilen schickt. Dabei wird das räumliche Getrenntsein zum imaginären Raum für eine Liebe, die in knapp zwanzig Jahren nur zu einigen wenigen Begegnungen findet. „Im Schatten beheimatet“, wie Celan einmal schreibt, handelt die aufschlussreiche Korrespondenz vor allem von einem konfliktreichen Wechsel zwischen Nähe und Distanz. Die Last der Geschichte, ungleich verteilter literarischer Erfolg, weibliche Emanzipation und psychische Zerrüttungen sind in ihn eingeschrieben.
Burgtheater-Schauspieler Laurence Rupp und Anja Plaschg, als Musikerin auch unter dem Künstlernamen Soap & Skin bekannt, lesen in Ruth Beckermanns Film „Die Geträumten“ diese Texte über das Hin und Her der Gefühle im Studio 3 des Wiener Funkhauses. Sprache und Sprechen werden zu einem Ereignis, das von der subtilen Inszenierung im Rahmen des reduzierten, kammerspielartigen Settings als ebenso dokumentarisch wie fiktional ausgewiesen wird. So erzeugt die Einbeziehung der Arbeits- und Aufnahmesituation zwar eine fortgesetzte Brechung der Illusion und damit eine gewisse Nüchternheit; andererseits vermittelt die „Verlebendigung“ der Texte durch den Vortrag der Schauspieler starke Emotionen. Diese bewirken, so scheint es zumindest, dass die Sprecher zeitweise aus ihren „Rollen“ heraustreten.
Tatsächlich oder wortwörtlich geschieht das in den Pausen, wenn Plaschg und Rupp zusammen Zigaretten rauchen, die Kantine aufsuchen oder einer Orchesterprobe beiwohnen (von Wolfgang Rihms „Die Eroberung von Mexiko“) und dabei sowohl über Privates plaudern als auch die Situation der Briefeschreiber in ihrem schwierigen Ringen um Leben und Kunst reflektieren. Ihre Begegnungen vor und jenseits der Mikrofone, vermittelt durch Einstellungsgrößen, die Positionen der Sprecher im Raum und zueinander sowie durch wechselnde Lichtstimmungen, werden schließlich auch zu Spiegelbildern jenes Ringens zwischen Nähe und Distanz, in dem die Briefeschreiber gefangen sind.