Herrschaften, hereinspaziert! Hier kommt der Dieselgipfel unter den politischen Filmen, der eindrucksvoll belegt, wie man ein schlechtes Buch kongenial verfilmt und dabei immer noch so tut, als würde ein heißes Eisen angepackt. Schöne neue Datenwelt, in der es sexy ist, wenn man sich umfassend transparent macht, damit man umfassend bekümmert werden kann. Sharing ist schließlich caring! Und der Mensch des Datenkraken Follower: Privatsphäre ist doch so was von Neunziger.
Der Internetkonzern The Circle, eine Mischung aus Facebook, Google, Twitter etc., arbeitet an der Zusammenführung aller Daten eines Individuums unter einer einzigen Internetidentität: eine große Dienstleistungsutopie, die Service, Antizipation und sanften Zwang zusammendenkt. Zugleich ist »The Circle« ein Musterbeispiel der schönen, neuen Campus-Arbeitswelt: hip, chic, grün, sportiv, flache Hierarchien, sozial engagiert. Schön, ein Teil dieses Zirkels zu sein, der sich wie eine Community anfühlt. Protagonistin Mae, als Figur völlig unterentwickelt und von Emma Watson darstellerisch exekutiert, arbeitet zunächst in einem öden Callcenter, später, als sie dank persönlicher Kontakte Teil des exklusiven Circle wird, malocht sie eben in einem hypermodernen Callcenter, bis sie zum Prototyp einer lachhaft naiven Angestellten wird, die alles mit sich machen lässt. Warum? Weil Vati an MS erkrankt und zu schlecht krankenversichert ist, um sich eine Behandlung leisten zu können. Da springt generös der Circle ein. Im Gegenzug macht sich Mae exemplarisch transparent, lässt sich, ihr Leben und ihre Kommunikation 24/7 mit der Kamera begleiten und in die Cloud stellen. Sex hat sie eh nicht, und am Toilettenbesuch ist der Circle (noch) nicht interessiert.
Auch sonst ist in James Ponsoldts Bestsellerverfilmung alles schön sauber nach Daily-Soap-Regeln verteilt: erst die Ausbreitung der Verlockungen, dann deren Janusköpfigkeit. Einmal pro, einmal contra, hü und hott. Hier der lockere charmant-charismatische CEO, dort sein sinister-mephistophelischer Gegenpart. Und in den Katakomben vom Circle, dort, wo die Rechner der Datenkrake summen, begegnet Mae dem einst idealistischen Cogründer der Firma, der längst vom Glauben abgefallen ist und nun die naive junge Frau über die Gefahren der totalen Transparenz aufklärt. Gemeinsam schmiedet man einen Plan, dem Circle das Handwerk zu legen. Vielleicht durch ein kostengünstiges Software-Update?
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret