Zwei Hirsche, eine Kuh und ein Bock, durchstreifen auf der Suche nach Nahrung den winterlichen Wald. Vertraut, fast zärtlich ist ihr Zusammensein unterwegs, wenn sie sich beschnüffeln, sich leicht berühren oder ihre Körper aneinander wärmen. Was in den ersten, seltsam fernen Bildern von Ildikó Enyedis Film „Körper und Seele“ Natur ist, wird kurz darauf, beim Blick in ein Schlachthaus, zum bloßen Objekt einer künstlichen Welt. Das gefangene, schließlich getötete Tier ist hier nur noch ein Ding, das mit routinierten Handgriffen zur Ware verarbeitet wird. Besonders monströs wird das in den Pausen, wenn die Arbeit ruht und die Metzger rauchend in der Sonne stehen, während die Tiere auf ihren Tod warten.
An diesem unwirklichen Ort, einer Parallelwelt, treffen zwei Versehrte aufeinander, über deren persönliche Vergangenheit wenig ausdrücklich gesagt wird. Maria (Alexandra Borbély) ist die neue, penibel nach Dienstvorschrift arbeitende Qualitätskontrolleurin in dem Betrieb, der von dem etliche Jahre älteren Endre (Géza Morcsányi) kollegial und umsichtig geleitet wird. Über Maria, die steif wirkt, wenig spricht und unter einem Ordnungszwang leidet, sagen die Kollegen bald: „Sie hockt allein im Dunkeln.“ Nur Endre, der ebenso einsam ist wie die junge, neurotische Außenseiterin, scheint sich für sie und ihr merkwürdiges Verhalten zu interessieren.
Was die beiden, die einander lieben, ohne es sich zu sagen, aber vor allem verbindet, sind ihre Träume. Ein psychologischer Test, der im Rahmen einer polizeilichen Ermittlung in dem Betrieb durchgeführt wird, bringt das ans Licht: Maria, die sich vor körperlicher Berührung fürchtet, und Endre, der in gewisser Weise genug davon hat, träumen Nacht für Nacht denselben Traum; und zwar von jenem Hirsch-Paar, in dem sich gewissermaßen ihre Beziehung einer zögerlichen Annäherung spiegelt.
Ildikó Enyedi erzählt diese ungewöhnliche Liebesgeschichte zweier Seelenverwandter, die ihre Gefühle zurückhalten, lakonisch, trocken und in leicht stilisierten Bildern. Deren Tendenz zum poetischen Detail und zur Abstraktion wird ausbalanciert durch einen nuancierten, sehr konkreten Blick auf die Wirklichkeit. Die ungarische Regisseurin wurde für die melancholische Schönheit dieses abstrakten Realismus mit dem Goldenen Bär der Berlinale ausgezeichnet.