Die Schriftgestaltung des Filmplakates erinnert an Veröffentlichungen aus dem Suhrkamp Verlag. Und auch der leicht absurd klingende Filmtitel „Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes“ könnte sich ganz selbstverständlich in eine theoretische Schriftenreihe des traditionsreichen Verlagshauses einfügen. Julian Radlmaiers vielgelobte „politische Komödie mit magischen Wendungen“, vom jungen Filmemacher zudem als ein „burlesker Essayfilm“ bezeichnet, ist zunächst ein postmodernes ironisches Spiel mit Zitaten, Referenzen und Anspielungen. Wenn eingangs auf mattroter Leinwand die Credits erscheinen und dazu aus dem Off die auf einem E-Piano gespielte Internationale erklingt, sind mit feinem Humor die ersten politischen Farbtupfer gesetzt. Wenn sich kurz darauf dann auch noch Julian Radlmaier selbst in der Rolle des von ihm verkörperten Regisseurs Julian zu Wort meldet, verbindet sich das Politische auf selbstreferentielle Weise mit der selbstironischen Betrachtung des eigenen künstlerischen Tuns.
Der utopische Anspruch ist diesem auf augenzwinkernde Weise implementiert: Wie lassen sich Leben, Arbeit und Liebe im Geist des Kommunismus so miteinander verbinden, dass sich Individuum und Gemeinschaft, Freiheit und Notwendigkeit in einer möglichst herrschaftslosen, von Unterdrückung und Ausbeutung befreiten Balance befinden? Und ist insofern ein „Kommunismus ohne Kommunisten“ möglich? Der angehende Filmemacher Julian, der „ästhetisch-politisch“ arbeiten will, dafür aber keine finanzielle Förderung erhält und deshalb von Sozialhilfe leben muss, ist jedenfalls gefangen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Als er vom Arbeitsamt zum Ernteeinsatz auf einer ostdeutschen Apfelplantage namens „Oklahoma“ abkommandiert wird, beschließt er, diesen gleichzeitig für ein Filmprojekt über die Arbeitsbedingungen im Spätkapitalismus zu nutzen. Und weil er sich daneben auch noch in die kanadische Kunststudentin Camille (Deragh Campbell) schwärmerisch verliebt hat, „engagiert“ er diese kurzerhand als Drehbuch-Assistentin.
Natürlich ist das nur ein Vorwand für eine „romantische Offensive“, die bei dem verliebten Helden ebenso unentschlossen ins Leere läuft, wie es seinem irgendwie halbherzigen Projekt zu ergehen scheint. Doch tatsächlich sehen wir als unmerklichen Film-im-Film mit dem Titel „The Persuit of Happiness“ bereits das schillernd doppelbödige „Ergebnis“ seines Aufenthaltes auf der Plantage, bei dem Julian mehr oder weniger distanzierter Beobachter bleibt. Ganz im Gegensatz zu den beiden entlassenen Museumswärtern Hong (Kyung-Taek Lie) und Sancho (Beniamin Forti), die ganz naiv an das „Paradies auf Erden“ glauben und dafür innerhalb einer ziemlich heterogenen Gruppe von Individualisten kämpfen; bis sie schließlich von einem stummen Mönch, der den Rat von Vögeln einholt, ins gelobte Land Italien geschickt werden. Denn natürlich folgt die von der Gutsbesitzerin Elfriede Gottfried als „lustige Ernte-Olympiade“ apostrophierte Apfellese vor allem den Gesetzen des globalen Kapitalismus.
Julian Radlmaiers ebenso witzige wie beziehungsreiche filmische Vermittlung von Theorie und Praxis nutzt das doppeldeutige Spiel mit unterschiedlichen Graden der Fiktion, um das Scheitern seiner idealistischen Klassenkämpfer abzumildern. Multiperspektivisch und zugleich sehr statisch betrachtet und analysiert er in seinem trotzdem sehr durchlässigen und unterhaltenden Film „Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes“ ein Dilemma, in dem nicht nur der Regisseur und seine Protagonisten stecken, sondern wir alle; und für das es nur in der Kunst – so die These – als einer Möglichkeit, das Andere zu „realisieren“, vorübergehend Rettung gibt.
Hier gibt es eine weitere Kritik zum Film.