„Bin ich langsamer geworden oder alles um mich herum schneller?“, fragt sich die etwa 60-jährige, aber jung gebliebene Anne (Gisela Schneeberger) zu Beginn von Ralf Westhoffs Film „Wir sind die Neuen“ aus dem Off. Damit bringt die verarmte Biologin, der eben ihre noch relativ günstige Wohnung gekündigt wurde, ein Unbehagen am allgemein herrschenden Zeitgeist zum Ausdruck. Die resolute Anne, aus deren Perspektive die ebenso witzige wie nachdenkliche Generationenkomödie erzählt ist, setzt nämlich auf die Beharrungskräfte des Lebens und zehrt von den Erinnerungen an alte Zeiten. Doch jetzt ist sie gezwungen, aufzubrechen und nach einem neuen Domizil zu suchen. Weil die Mieten zu hoch sind, tut sie sich mit dem Sozialjuristen Johannes (Michael Wittenborn) und dem Alt-Revoluzzer Eddi (Heiner Lauterbach) zusammen, um ihre alte Wohngemeinschaft aus Studentenzeiten zu reaktivieren.
Doch die Zeiten haben sich geändert und dabei keine Rücksicht genommen auf die sympathischen Helden, die sich treu geblieben sind und dabei ihre Spleens und Marotten kultiviert und verfestigt haben. Während etwa Johannes, ein Jeanstyp mit stets fettigen Haaren, Frauen gegenüber zu schüchtern ist, hat Charmeur Eddi seine gescheiterte Beziehung hinter sich gelassen. Gemeinsam wollen sie nun an alte Zeiten und die Leichtigkeit vergangener Tage anknüpfen; doch der Blick zurück schürt auch frühere Konflikte und öffnet alte Wunden. „Wir wollten zurück ins Paradies“, sagt die sinnierende Anne einmal im Gefühl der Desillusionierung. „It’s never too late“, singen Steppenwolf; und der gemeinsame Disco-Besuch verdichtet sich zu der Überzeugung: „Man muss tanzen!“ Doch für die gemeinsame Gegenwart fehlt ihnen das Konzept. Und Ralf Westhoff versäumt es, das Leben und die biographischen Hintergründe seiner Protagonisten stofflich zu erhellen.
Stattdessen verlegt er sich auf die Darstellung eines konfrontativ ziemlich zugespitzten Generationenkonflikts, der von seinem versierten Darsteller-Ensemble in geistreich-pointierten Dialogen ausgefochten wird. Rücksichtslos direkt und schamlos gemein geht es da zu, wenn „die Neuen“ sich zum „Antrittsbesuch“ in der Studenten-WG einen Stock tiefer einstellen und dabei mit „seltsam erwachsenen“, ziemlich erfolgsorientierten und auf Karriere getrimmten Jungakademikern konfrontiert werden, die gleich mal anzeigen, dass sie ruhebedürftig sind, „keine Kapazitäten“ haben und „einfach nur Nachbarn“ sein wollen. „Wir waren in der Hölle“, konstatiert darauf Eddi; und es braucht nicht lange, bis sich im nachbarschaftlichen Ideologie- und Lärmkrieg die Fronten verhärtet haben.
Durch den schonungslosen Blick der Alten hindurch entlarvt Westhoff den rücksichtslosen Materialismus der Jungen, deren Charakterzeichnung allerdings etwas eng bleibt. Weil hinter der spießigen Fassade von Katharina (Claudia Eisinger), Barbara (Karoline Schuch) und Thorsten (Patrick Güldenberg) Ängste, Frustrationen und Neurosen lauern und bald auch ausbrechen, führt das im letzten Drittel des Films zu einer zunächst vorsichtigen, schließlich aber versöhnlichen Annäherung der so unterschiedlichen Generationen. Und während noch die Jungen von den Alten lernen, öffnet sich nach diesem „Weckruf“ auch für die Alten ein neues Fenster in die Zukunft.