Buchstäblich auf den Hund gekommen ist Todd Solondz, der boshafte Psychopathologe des US-Suburbia, mit seinem neuen Film. Immerhin schafft er es mit ‚Wiener-Dog‘ erstmals seit ‚Palindrome‘ (2004) hierzulande wieder in die Kinos. Formal bleibt sich Solondz in jeder Hinsicht treu, dient der titelgebende Dackel doch als dramaturgische Klammer von vier autonomen Episoden, die einerseits mit sardonischem Witz von Dummheit, Borniertheit, Ressentiments, Krankheit, Behinderung, Einsamkeit, Lebenslügen und Angst erzählen, andererseits aber auch Spuren ins Gesamtwerk legen.
So begegnen wir Dawn Wiener, der Protagonistin von ‚Willkommen im Tollhaus‘ (1995), die sich zu Beginn von ‚Palindrome‘ umgebracht hatte. Sie wiederum begegnet ihrem ehemaligen Klassenkameraden Brandon McCarthy wieder, der es mittlerweile zum wortkargen Junkie gebracht hat. Doch zunächst einmal wird der Hund einem Kind geschenkt, das gerade eine Krebserkrankung überstanden hat und einen Spielkameraden gut gebrauchen kann. Später wird Dawn Wiener Wiener-Dog vor dem Einschläfern bewahren, um ihn dann ihrerseits Brandons Bruder und seiner Frau zu überlassen, die beide Trisomie 21 haben. Diese und zwei weitere Episoden erzählt Solondz mit erstaunlicher Starbesetzung und dem ihm eigenen Humor und ideologischer Indifferenz.
Er selbst bringt Robert Bressons ‚Zum Beispiel Balthasar‘ ins Spiel: Das Elend der Menschen spiegelt sich im Auge der Kreatur, die die USA durchquert, um den gemarterten Seelen Trost zu spenden. Was dem Esel Balthasar am Ende die Schafherde, ist Wiener-Dog der Asphalt der neu gebauten Umgehungsstraße direkt neben dem Altersheim. Zwar trägt der ausgebrannte Filmhochschuldozent den sprechenden Namen Dave Schmerz, aber Solondz’ Haltung bringt wohl eher ein mexikanisches Mariachi-Trio auf den Punkt: ‚Amerika ist ein trauriger Elefant, der in einem See aus Verzweiflung langsam ertrinkt.‘ Die Schönheit in diesem Elend ist von so ausgesuchter Hässlichkeit in allen Details, dass Solondz den Blick nicht abwenden mag: Ein exquisites Travelling folgt geduldig den Resultaten gutgemeinter, aber grundfalscher Fütterung von Durchfallpfütze zu Durchfallpfütze. Fasziniert und faszinierend.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 9/2016