Den einleitenden Bildern wogender Getreidefelder sieht man den Verlust der Unschuld nicht an. Ein österreichischer Bauer, vor seinem Mähdrescher positioniert, sagt: Seit dem EU-Beitritt seines Landes gebe es ein Viertel weniger Landwirte; er habe den 12 Hektar-Betrieb seines Vaters versechsfachen müssen, um den gleichen Lebensstandard zu halten; Weizen sei heutzutage so billig wie Streusplitt; und jeder Bauer müsse 10 Prozent seines Ackerlandes brach liegen lassen, was finanziell gefördert werde. Der Werteverlust, den Erwin Wagenhofer in der Exposition seines Dokumentarfilms „We feed the world“ andeutet, hat mehrere Gesichter: Immer weniger Landwirte mit immer größeren, von Monokulturen dominierten Anbauflächen produzieren Überschüsse und verdienen daran immer weniger. Dann sieht man Brotberge so genannter „Retourware“, die in einer Großstadt wie Wien dem Tagesverbrauch in Graz entspricht und sich im Jahr auf 2 Millionen Kilo summiert.
Wenn Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, darauf hinweist, dass im Bankenland Schweiz das Getreide aus Indien importiert werde, wo viele Menschen an Hunger leiden, werden die Widersprüche der Globalisierung anschaulich. Wagenhofers beeindruckender Film betreibt aber keine Ursachenforschung dazu und ist auch keine Hintergrundrecherche über weltwirtschaftliche Verflechtungen, obwohl der Zusammenhang zwischen kapitalistischer Profitmaximierung und Armut eine Grundthese bildet. Vielmehr ähnelt seine Dokumentation einer phänomenologischen Studie, die in genau komponierten Bildern Veränderungen sichtbar macht, letztlich diese als Entfremdung und Verlust beschreibt. Wagenhofer verzichtet auf einen Kommentar und lässt stattdessen Beteiligte und Betroffene zu Wort kommen. Die Zusammenhänge liegen deshalb zum einen im Nebeneinander der Stimmen, zum anderen resultieren sie aus dem Verlauf einer behutsamen Annäherung.
Diese vollzieht sich, sieben Kapiteln entsprechend, an sieben Orten der Welt. Sie beginnt mit einem bretonischen Fischer, der von der „Genauigkeit der Natur“ spricht und dessen Wissen über nachhaltigen Fischfang, geht es nach der EU, bald nur noch eine Berechnungsgröße für die wirtschaftlich effizientere, ökologisch aber zerstörerische Industriefischerei sein soll. In Südspanien, der nächsten Station, blickt die Kamera aus der Vogelperspektive auf das „Wunder von Almeria“: In der Hochburg der europäischen Gemüseproduktion erstrecken sich auf einer Fläche von 95.000 Hektar Gewächshäuser, in denen künstlich bewässerte Pflanzen in einem Steinwollsubstrat stecken und, von 3000 Sonnenstunden im Jahr begünstigt, eine wirtschaftlich optimierte, geschmacklich aber standardisierte Nahrung erzeugen, deren Export andernorts das Bauerntum ruiniert.
Der Saatgutkonzern „Pioneer“ wiederum, der im Billiglohnland Rumänien Hybridsamen für Soja entwickelt, kollidiert dabei mit einer fast noch archaischen bäuerlichen Gegenwelt, deren allmähliches Verschwinden einer Zurichtung der Natur Platz machen muss. Dieser destruktiven Logik folgt auch die Urwaldrodung im brasilianischen Mato Grosso, wo Soja für die Masttierzüchtung in Europa angebaut wird. Eine solche Zuchtfabrik für Geflügel befindet sich in der Steiermark: „Lebende Ware“ sagt der Fachmann zu diesen traurigen Geschöpfen, deren trostloses Dasein der Film von der Befruchtung bis zur Schlachtung in einer bewegenden Montage verdichtet. Leben und Sterben auf einem Fließband: „Stückzahl“ 50.000 pro Tag.