Es ist schon ein lustiger Zufall, dass „We Are Your Friends“ und „Straight Outta Compton“ hierzulande gleichzeitig in die Kinos kommen. Zweimal Coming of Age-Geschichten im Musikbusiness, einmal Electronic Dance Music, einmal HipHop, einmal fiktiv, einmal gewissermaßen dokumentarisch mit fiktionalen Anteilen, aber in Grundzügen durchaus verwechsel- oder austauschbar. Wie man als Künstler seine eigene Stimme findet. Wie man Realität in der Kunst abbildet. Wie man authentisch bleibt. Wie man Karriere macht. Wie man in Freundschaften loyal bleibt. Wie der Tod eines Freundes einen Verirrten wieder auf das richtige Gleis setzt.
„We Are Your Friends“ leistet sich im Gegensatz zu „Straight Outta Compton“ die Rolle eines Mentors (N.W.A. machen zwar HipHop, haben aber offenbar keine Vorbilder, sondern nur einen windigen Manager) und bietet statt der Bitches eine starke Frau als Tauschobjekt. Was „Straight Outta Compton“ „We Are Your Friends“ an „Realness“ voraus hat, mussten sich die Darsteller in Letzterem sich durch lustige Method Acting-Streiche draufschaffen: So bekam Mixmaster Zac Efron echten Turntable-Unterricht und damit die vier Freunde vier Freunde spielen konnten, mussten sie „ein langes Wochende“ gemeinsam in einem Haus im San Fernando Valley verbringen. Der Aufwand hat sich gelohnt! Here we go:
Erwachsenwerden ist auch im San Fernando Valley nicht einfach. Dauernd muss man Entscheidungen treffen, über deren Konsequenzen man sich erst nach und nach klar wird. Cole und seine besten Freunde Mason, Ollie und Squirrel haben sich gegen altmodische bürgerliche, auf Bildung basierende Karrieren entschieden. Lieber promoten sie Parties, auf denen Cole seine DJ-Talente beweisen kann. Gemeinsam träumt das Quartett von einem Leben jenseits der Valley-Tristesse. Doch der Durchbruch lässt auf sich warten, weshalb man sich zunächst noch mit Brotjobs durchschlagen muss.
Man könnte mitunter meinen, der Film erzählt davon, wie eine Generation junger, gut aussehender Menschen nächtliche Partys feiert, während tagsüber der neoliberale Kapitalismus seine Raubzüge auf dem Immobilienmarkt abwickelt. Doch weit gefehlt. Filmemacher Max Joseph hat seinen recht konventionellen Bildungsroman in die Welt der in den USA derzeit angesagten Welt der Electronic Dance Music verpflanzt, wo DJs auf der Suche nach dem perfekten Beat sind, der ihnen alle Türen öffnen wird, weshalb „We Are Your Friends“ nicht nur eine Geschichte übers Erwachsenwerden, Freundschaft und Loyalität ist, sondern auch ein Kunst- und Künstler-Diskurs gepflegt wird. Denn DJ Cole hat zwar so seine Theorien, was die Dramaturgie eines perfekten Sets angeht (Stichwort: 128 bpm), allerdings klingt seine Musik noch seinen Vorbildern zum Verwechseln ähnlich.
Da trifft es sich, dass er eines Abends zufällig dem weltberühmten und etablierten DJ James Reed trifft, der ihm, obschon selbst künstlerisch ausgebrannt und mit einem Alkoholproblem gesegnet, als Mentor wesentliche Impulse und Denkanstöße vermittelt. Denn Electronic Dance Music klingt zwar so, als sei sie lediglich computergeneriert, aber das bedeutet nicht, dass diese Musik nicht auch Soul haben muss. Folglich muss Cole lernen, seine eigene Stimme zu entwickeln und darauf zu hören, was die Welt ihm zu erzählen hat. Insofern unterscheidet sich ein DJ nicht von einem Jazz-Musiker oder einem Liedermacher, weshalb Reed ihm auch gleich noch die distinktiven Vorzüge analoger Klangerzeuger verklickert.
Doch der Weg zum verdienten Erfolg ist seit Wilhelm Meister bekanntlich mit Hindernissen und Erfahrungen gepflastert, die der Persönlichkeitsbildung dienen. Freundschaften wollen gepflegt sein. Dem schnellen Geld auf Kosten Dritter gilt es ebenso zu widerstehen wie der Versuchung durch die attraktive Freundin des Mentors. Und nicht zuletzt muss man lernen, dass auch Misserfolge zu einer Biografie gehören und dass es nicht hilft, sie zu verdrängen. Cole macht auf seinem Weg nach Oben allerlei Fehler, ist als Freund und Protegé nicht loyal und als potentieller Künstler selbstzufrieden und epigonal. Am Ende dann, nach schmerzhaften Lernprozessen, ist er in der Lage, die Massen mit einer Musik zu begeistern, die sich zwar noch nach Electronic Dance Music anhört, doch recht eigentlich den Gesetzen des Singer/Songwriter-Tums gehorcht. Cole bastelt an seiner Version einer quasi autobiografischen und ziemlich sentimentalen Tanzmusik, die seinen Werdegang und seine Erfahrungen auf geradezu lachhafte Weise quasi dokumentarisch fixiert.: Der Soundtrack des Lebens. Was natürlich nur er selbst (und die Zuschauer im Kino) wissen, die Zeuge einer sehr händischen (und letztlich komplett phantasielosen) Produktionsweise wurden.
Auf vielen Ebenen und durch unterschiedliche Figuren variiert und vermittelt, singt „We are your Friends“ so ein ziemlich konventionelles Lied von der Persönlichkeitsbildung, die dabei hilft, den »richtigen« Platz im Leben zu finden. Dass diese Geschichte von der Überwindung des bloß Hedonistischen zum Verbindlichen zum Sound einer Musik geschieht, die in den USA richtig populär und Mainstream-kompatibel erst wurde, als sie ihre kreative Originalität – bei der ersten Lektion, die Cole von James Reed erhält, fällt explizit der Name des Detroiter Underground-DJs Juan Atkins – hinter sich ließ, ist nicht nur für europäische Zuschauer hoch ironisch, sondern genau der neue Schlauch, in den hier ganz alter Wein für die Party People gefüllt wurde. Anders gesagt: Coles Erfolg mit seiner Musik ist gekoppelt an deren Kritik und Überwindung, was der Film selbst, der davon erzählt, leider künstlerisch nicht nachvollzieht, sondern lieber das Obsolete zum Beispiel durch allerlei Verfremdungseffekte und krause Animationen feiert.