2011 ist der viel gelesene und viel bewunderte Filmkritiker und Autor Michael Althen im skandalösen Alter von nur 49 Jahren gestorben. Der Filmemacher Dominik Graf, mit dem Althen wiederholt zusammengearbeitet hat („München – Geheimnisse einer Stadt“), hat jetzt Althens Familie (total sympathisch), ein paar Freunde und Kollegen und ein paar Filmemacher (Tykwer, Petzold, Karmakar) vor die Kamera geholt, um mittels eines essayistischen Mosaiks aus Stimmen, Fotos, Filmausschnitten und Texten einen filmischen Kranz zu flechten.
Wer sich für Filmkritik interessiert, wird manches erinnern: etwa die legendären Nachrufe auf Robert Mitchum oder Audrey Hepburn oder den eigenwilligen Sound von Althens Dean Martin-Monografie. Dazu spricht Dominik Graf selbst einen Off-Kommentar mit der ihm eigenen Lakonie, die sich auch sehr gut für Althen-Texte mit ihrem mitunter etwas hohen Ton eignete. Man erfährt also etwas über Althens Herkunft aus der Vorstadt Unterhaching und viel über die Clique von jungen Filmkritikern, die sich Mitte der 1980er Jahre aufmachte, eine Wachablösung innerhalb der deutschsprachigen Filmkritik zu realisieren. Ein Sprachrohr dieser sehr Hollywood-affinen Clique war das Magazin „steadycam“, mittlerweile eingestellt.
Um es kurz zu machen: „Was heißt hier Ende?“ ist ein sehenswerter Film, der noch einmal sehr für Michael Althens Schreib- und Herangehensweise einnimmt, wenngleich sie mir persönlich mitunter etwas zu affirmativ und betont cinephil erscheinen mag. Aber ich interessiere mich ja auch nicht für Tom Cruise oder Interviews mit Jacqueline Bisset. Die Haltung, in jedem Film, noch dem misslungensten, stecke etwas, was sich zu entdecken lohne, teile ich nicht. Keine Verrisse, nach Möglichkeit. Okay?
Man könnte trotzdem richtig nostalgisch werden, wenn man noch einmal vorgeführt bekommt, welchen Stellenwert der Film und das Kino einmal im Feuilleton genossen. Und wenn die anderen Exponenten der Filmkritiker-Clique, die Seidls, Höbels, Körtes und Paulis, von ihren lustigen Streichen erzählen, dann spürt man auch, dass damals Kritik auch so gut bezahlt wurde, dass man sich auch mal auf ein Abendessen in Paris verabreden konnte, bei „Schumann’s“ Stammplätze hatte und 1000 Mark im Filmbuchladen ließ. Große Gesten! Hier erzählen müde und matt gewordene Mittfünfziger über Bande von ihrem Weg in bestens bezahlte Redakteursstellen und haben als Establishment die Chuzpe zu behaupten, dass die Zeitungskrise dazu geführt habe, dass jetzt nur noch mittelmäßige Autoren nachfolgen, weshalb jetzt mit ihnen wohl auch die Filmkritik sterbe. Langsam, aber sicher. Oder vielleicht längst gestorben sei.
Man sollte sich vielleicht mal informieren, was Wolfram Schütte als Repräsentant der zuvor abgelösten Kritikergeneration heute im Netz so treibt. Oder sich auf die Suche nach talentiertem Nachwuchs begeben. Oder selbst wieder bessere, kontroverse Texte schreiben. Stattdessen lobt man einen Michael Althen-Preis für Kritik aus, den dann jemand wie Willi Winkler bekommt, dessen „Passion“ fürs Kino leider bislang unerwidert blieb. Hier sind es gerade die Stimmen einiger randständiger Kritiker wie Olaf Möller, Christoph Huber oder Doris Kuhn, die noch etwas vom alten Feuer bezeugen und auch einklagen. Stichwort: Kritik als Service. Jeden Donnerstag.
Interessant und für einen Nicht-FAZ-Leser neu allerdings die Ahnung, die der Film zumindest suggeriert, dass Michael Althens Enthusiasmus für das Tagesgeschäft sich nach dem Umzug nach Berlin rasch erschöpfte und er Inspiration in Nachbarkünsten suchte. Dieser Spur könnte man bei Gelegenheit einmal nachgehen. Wozu gibt es schließlich die schöne und immer wieder gern aufgesuchte Site www.michaelalthen.de?