Im Jahr 1899 gelangt Richard Wilhelm als Missionar nach China. Zu einer turbulenten Zeit als China von den Kolonialmächten ausgebeutet wird, sich der Boxeraufstand gegen die ausländischen Imperialisten ereignet, schließlich die Xinhai-Revolution die kaiserliche Dynastienfolge unter Pu Yi, dem letzten Kaiser, beendet, und Sun Yat-sen zum Übergangspräsidenten der Volksrepublik gewählt wird. Richard Wilhelm ist zu dieser Zeit in der deutschen Kolonie in Qingdao tätig, baut eine Schule auf und übernimmt später im Ersten Weltkrieg die Leitung eines Hospitals – er flüchtet also nicht in die sichere Heimat. Die Fremde ist ihm zur neuen Heimat geworden. Seine Ehefrau folgt ihm, und Wilhelm nähert sich der chinesischen Kultur mit einer eigentlich für jede Zeit ungewöhnliche Offenheit im Geiste. Anstatt sich um die Bekehrung der Chinesen zu kümmern, beginnt er chinesische Schriften zu lesen und schließlich zu übersetzen. In jahrelanger Arbeit übersetzt er Texte von Konfuzius, Laotse sowie Texte des Daoismus und auch das „Buch der Wandlungen“, das „I Ging“, den ältesten Text der klassischen chinesischen Lehren. Ein Text, den C. G. Jung, später ein enger Freund Richard Wilhelms, wiederum ins Englische übersetzt und der dadurch einem großen westlichen Publikum zugänglich gemacht werden konnte.
Bettina Wilhelm, die Enkelin des großen kulturellen Vermittlers, begibt sich in ihrem Dokumentarfilm nun auf die Spuren ihres Vorfahren, reist ins chinesische Qingdao, besucht ihr Geburtshaus (heute eine hochmoderne Augenklinik), spricht mit dem Enkel des Schulleiters, der ein enger Verbündeter des Deutschen wurde, und mit vielen anderen Zeitzeugen oder deren Nachfahren. In liebevoll persönlicher Weise skizziert sie ihre Reisen durch das moderne China und verdeutlicht den großen Einfluss des philosophisch-religiösen Denkens auf den chinesischen Alltag. Zugleich werden immer wieder kurze Exkurse mit westlichen Experten diverser Fachgebiete dazwischen montiert, die verschiedene Aspekte der chinesischen Lehren erläutern. Der Film bringt dem Zuschauer auf diese Weise die Prinzipien des I Gings und des Konfuzianismus näher und erläutert die Faszination auf westliche Denker und Schriftstelle; eines der prominentesten Beispiele ist Hermann Hesse.
Es zählt zu den großen Leistungen dieses narrativ recht herkömmlich gestalteten Filmes, dass die Regisseurin ihren Weg durch das Land mit einer ähnlichen Offenheit für das Fremde beschreiten wie der Großvater; so ist er nicht nur das Portrait und der späte Versuch einer Rehabilitation eines Mannes, der außerhalb eingefleischter Sinologenkreise wenig bekannt wurde (auch aufgrund des Zweiten Weltkrieges), sondern auch Zeugnis eines Verständnisses von Weltoffenheit, in dem ein kleingeistiger Kulturpatriotismus keinen Platz hat. Wer allerdings denkt, dieser Film würde allzu esoterische Themen anschneiden, täuscht sich. Er ist Hommage und persönliche Biographie eines großen Kulturwissenschaftlers zugleich – mit sensationellen Filmdokumenten aus den Archiven, mit wunderbaren Bildern aus dem modernen chinesischen Alltag zwischen Tradition und Moderne, dem Leben der Landbevölkerung und dem der hektischen Metropolen.