Beiden gemeinsam war und ist das Tremolo, zum Glück noch nicht der Tremor. Trotzdem kann der Dokumentarfilm „Wader Wecker Vater Land“ einen emotional erwischen, negativ emotional, gerade, wenn man in seiner sinistren Jugend versucht war, eine Art Vorbilder in ihnen zu sehen.
Auf ihre älteren Tage, nicht „mit letzter Tinte“, aber auch nicht mehr im vollen Saft der Jugend haben sich die schon immer ziemlich ungleichen Liedermacher Konstantin Wecker aus München (Jahrgang 1947) und Hannes Wader aus Bielefeld (Jahrgang 1942) zu einer gemeinsamen Tournee zusammengefunden, und – wie man anhand dieser Dokumentation von Rudi Gaul nachprüfen kann, es geschafft, größere Sääle kleinerer Städte unserer Republik zu füllen. Gekommen sind noch erstaunlich viele Altsentimentale, als Altlinke kann man heute wohl weder das Publikum noch die beiden Musiker bezeichnen, denn links ist ja irgendwie out heutzutage und höchstens was für Nostalgiker oder unverbesserliche Parteipolitiker.
Was musikalisch bei dieser Fusion des eher extrovertierten Showmannes und Politpianisten Wecker und des eher introvertierten Folk-Romantikers Wader herauskommt, reicht leider selten, wie der Film selbst mittels Archivmaterial beglaubigt, an die stimmungsvollen Auftritte beider aus den siebziger Jahren heran, und skurril wird es, wenn Wecker gar den eher steifen Wader dazu überredet, doch ein Intermezzo mit dem Caterina-Valente/Roberto-Blanco-Klassiker „Quando quando quando“ einzubauen, und das wohl tatsächlich für eine besonders witzige Idee hält.
Seine besten Momente – und eben das ist das Zwiespältige an diesem Film – hat der Film tatsächlich nicht, wenn er dem Endsechziger Hannes Wader dabei zusieht, wie er Spiegeleier brät oder wenn er ihm dabei zuhört, wie er einigermaßen ratlos über den Verlust seiner politischen Ideale spricht, sondern wenn er Konzerte aus den siebziger Jahren heranzieht oder Interviews. Mit beidem aber, den Bildern der desillusionierten Gegenwart und der revolutionär beseelten Vergangenheit und mit der beidem innewohnenden Diskrepanz, paraphrasiert er Zeitgeschichte, bebildert er die Geschichte einer Generation des Aufbruchs – und Abbruchs.
So sieht man z.B. Spotlights auf Stationen der politisch-künstlerischen Odyssee des Hannes Wader. Wader, der in den Sechzigern als romantisch-liberaler Liedermacher im Stil von George Brassens oder Bob Dylan begann, fühlte sich von seinem messianischen Nimbus in den Siebzigern so überfordert, dass er sich in die DKP flüchtete, sich ihren überschaubaren ideologischen Werten unterordnete, darin sozusagen intellektuell abtauchte, und so, wie er sagt, das Leid der Welt nicht mehr auf seinen eigenen Schultern tragen musste. Liest man Wader-Interviews aus dieser Zeit, hat man tatsächlich den Eindruck, dass hier jemand sich weigert, sein Gehirn zu benutzen. Den Fall der Mauer und den Zusammenbruch des sozialistischen Ostblocks erlebte Wader (für ihn konsequenterweise) dann als das Ende aller politischen Utopien und Ideale (so als würde der Kollaps des einen mehr oder weniger unmenschlichen Systems die Qualität des anderen mehr oder weniger unmenschlichen Systems verifizieren).
Der Höhepunkt der Absurdität seiner biografischen Entwicklung besteht in einem Auftritt Waders in der DDR vor SED-Bonzen im Friedrichsstadt-Palast. Unterstützt vom Chor des FDJ (oder dergl.) singt er ein Arbeiterlied. Udo Lindenberg („Sonderzug nach Pankow“) muss blau vor Neid geworden sein. Vom Rock’n’Roll übrigens (wobei man Lindenberg ja auch nicht allen Ernstes als „Rockmusiker“ bezeichnen kann) blieben beide Barden bis heute ungeküsst, vielleicht erklärt das auch das Festgefahrene an ihnen, ihren inhärenten Anachronismus.
Der einstige Folkmusiker Bob Dylan jedenfalls, das erklärte Vorbild Waders, wandte sich zum Zeitpunkt seiner wirksamsten „Messiashaftigkeit“ dem trivialen Rock’n’Roll zu und rettete damit womöglich nicht nur im übertragenen Sinn sein Leben. Was nicht heißt, dass Rockmusiker etwa dagegen gefeit seien, von ihren Fans heilig gesprochen und ausgesaugt zu werden.
Wader aber ging den Weg zurück zum Volkslied, zum Arbeiterlied, zurück in den Schoß der „Partei“ und Wecker löste seine Konflikte zwischen Ruhm und Alltag und zwischen Ideal und Wirklichkeit mittels Kokain. Der Rest ist Boulevard und bekannt. Dennoch: Das Erlöschen des Enthusiasmus‘ der Anfangszeit beider Musiker ist so bezeichnend wie schade, eben weil sich darin auch spiegelt, wie viel doch von dieser vitalen, wenngleich naiven, Energie, das heißt, wie viel von einem Glauben an die Veränderbarkeit der Welt dahingegangen ist.