Emma Watsons erste Hauptrolle nach dem Ende des „Harry Potter“-Franchise. Allein das reicht schon aus, die Fanboys in Verzückung zu versetzen. Und dann ist es auch noch keine gesichtslose Hollywood-Ware, sondern eine persönliche Indie-Dramödie, die allen verunsicherten Teenagern und schüchternen Nerds Hoffnung machen sollte. So deutet bereits der Originaltitel die Vorzüge des Mauerblümchen-Daseins an, die den unsicheren Charlie an der neuen High School vollends aus der Bahn werfen, denn die Geschwister Sam und Patrick nehmen ihn ohne Vorbehalte in ihre bohemische Außenseiter-Clique auf. Sie sind cool und anders und auch wenn Charlie zunächst einfach nur anders ist und weit entfernt von cool, färbt ein wenig von ihrem Glanz auch irgendwann auf ihn ab.
Es wäre einfach, „Vielleicht lieber morgen“ als lediglich eine weitere Variante der ewig gleichen Teenie-Komödie abzustempeln, die das Coming-of-Age seines jugendlichen Helden mit den hinlänglich bekannten Stereotypien durchexerziert, die seit den Zeiten der kanonischen John-Hughes-Filme wie „Breakfast Club“ oder „Ferris macht blau“ nur selten ein phantasievolles Update erfahren haben. Dafür ist die zweite Regiearbeit von Stephen Chbosky, der zugleich auch fürs Drehbuch und die semi-autobiographische Romanvorlage sorgte, zu treffsicher in der Analyse pubertärer Befindlichkeiten, ohne in peinliche Toiletten-Humor-Gefilde abzurutschen. Und vor allem: „Vielleicht lieber morgen“ entwickelt einen entwaffnenden Charme und eine Liebenswürdigkeit, die ihn vielmehr in die Nähe von Filmen wie „Garden State“ rückt.
Das ist in erster Linie nicht allein Emma Watson zu verdanken, die sich hier erfolgreich der Hermione Granger entledigt, sondern insbesondere dem Charlie-Darsteller Logan Lerman, der im vergangenen Jahr in dem höchst überflüssigen „Drei Musketiere“-Update als D’Artagnan leidlich fehlbesetzt durch die Kulissen stolzierte. Hier verleiht er einem eigentlich längst auserzählten Charakter-Typus die exakt richtige Balance aus Aufbegehren und Zurückhaltung, aus kindlicher Naivität und tiefgründiger Nachdenklichkeit. Und gerade diese reflektierte Haltung macht „Vielleicht lieber morgen“ so universell wie sehenswert: dass es letzten Endes vor allem darauf ankommt, seinen Platz im Leben zu finden. Und ihn zu behaupten.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: pony 11/2012