Im Gegensatz zu ihrem Namen lebt die Titelheldin aus Justine Triets Film „Victoria – Männer & andere Missgeschicke“ eher in ihren Niederlagen. Gleich zu Beginn der turbulenten Komödie fragt sich die alleinerziehende Enddreißigerin: „Wann hat mein Leben angefangen, so den Bach runter zu gehen?“ Als gestresste Anwältin unter permanentem Zeit- und Arbeitsdruck kriegt Vicotria (Virginie Efira) den Kopf nicht mehr frei und verliert dadurch zunehmend die Kontrolle über ihr Leben. Liebe und Sex hat die attraktive Single-Frau durch Arbeit ersetzt („Ich bekomme meinen Orgasmus in der Regel bei der Arbeit.“), ihre beiden vernachlässigten Töchter verwahrlosen in der bunten, ziemlich chaotischen Wohnung, ihr Babysitter hat soeben gekündigt und, als wäre das nicht schon genug, gibt es auch noch Ärger mit ihrem schriftstellernden Ex-Mann. „Ich habe so selten inneren Frieden“, konstatiert Victoria, die gleichzeitig einen Psychoanalytiker und eine Hellseherin konsultiert, um ihre Probleme in den Griff zu bekommen.
Doch das ist erst der Auftakt zu einer Reihe absurder Verwicklungen, von denen Justine Triets überhitzte, tempogeladene „Satire über Sex und Beziehungen“ ebenso witzig wie geistreich erzählt. Denn bei einer skurrilen Hochzeitsfeier trifft sie nicht nur ihren alten Freund Vincent (Melvil Poupaud) wieder, der tags darauf unter den abstrusen Verdacht eines Mordversuchs an seiner Freundin gerät, sondern auch ihren früheren Mandanten Sam (Vincent Lacoste), einen jungen Ex-Dealer, der sich neuerdings um seine Zukunft sorgt und seinem Leben eine neue Richtung geben will. „Ich befinde mich in der Clean-Phase meines Lebens“, sagt der sympathische Loser, bevor er bei Victoria als persönlicher Assistent anheuert und überraschenderweise zum Ruhepol innerhalb des allgemeinen Chaos wird. Bald ist Sam nämlich nicht nur Victorias Au-pair-Junge und Seelentröster, sondern irgendwann auch noch ihr Anwaltsgehilfe und Liebhaber.
Auf die verdränge, ausgeblendete Liebe läuft Justine Triets romantische Komödie auf Umwegen und durch allerlei Turbulenzen hindurch nämlich zu. Das Chaos des Lebens und den emotionalen Ausnahmezustand ihrer konfusen Heldin inszeniert Triet als Gleichzeitigkeit der Ereignisse. Dabei überwindet sie spielerisch Raum und Zeit, pflegt ganz selbstverständlich den Austausch zwischen realen und absurden Ereignissen sowie denjenigen zwischen Therapiesitzungen und Gerichtsverhandlungen. Im Zoom aus der Vogelperspektive wird Victoria zur Stellvertreterin moderner Lebensverhältnisse und Befindlichkeiten. Und natürlich überschattet auch bei ihre öfters der Schein das Sein: „Unter meinen Fehlern schlummern enorme Qualitäten.“