Das oftmals bemühte Zitat „write what you know“ wird sowohl William Faulkner als auch Mark Twain zugeschrieben, was wohl kaum letztgültig zu klären sein wird. Es ist jedoch eine universale Wahrheit, die auch vor dem Medium Film keineswegs Halt gemacht hat. Insbesondere im dokumentarischen Bereich gibt es unzählige (auto-)biographische Filme, deren fehlende Distanz ihre herausragende Qualität darstellt.
Regisseur David Sieveking hat sich für seinen Debütfilm „David Wants to Fly“ auf eine persönliche Reise in die transzendentale Meditation begeben, den Spuren David Lynchs und des Beatles-Gurus Maharishi Mahesh Yogi folgend. Sein Nachfolgewerk allerdings ist noch intimer, unmittelbarer: „Vergiss mein nicht“ begleitet Davids Mutter ins Reich der Alzheimer-Demenz und letztlich auch in den Tod. Dass der Film trotz seines Sujets keineswegs eine rührselige, bedrückende Nabelschau geworden ist, liegt an David Sievekings außergewöhnlichem Gespür für die leichten Momente, die trotz aller Tragik immer wieder durchscheinen. Während Davids Mutter Gretel dem Vergessen anheimfällt, entdeckt der filmende Sohn ihre bewegte Vergangenheit und lernt die Geschichte seiner Familie aus einem völlig neuen Blickwinkel kennen.
Dass der Film sich letztlich so hoffnungsvoll, so einnehmend und liebevoll entwickelt, liegt nicht zuletzt an der ereignisreichen Lebensgeschichte der Gretel Sieveking und ihrer auch im hohen Alter einnehmenden Persönlichkeit sowie nicht minder an David Sievekings offener und aufrichtiger Herangehens-, eigentlich eher Herantrauensweise – sowohl vor als auch hinter der Kamera – an das schwierige Unterfangen, die eigene Familie den Filmaufnahmen und dem Kinopublikum auszuliefern. So ist „Vergiss mein nicht“ alles andere als ein exhibitionistischer Blick auf ein öffentlich weitgehend tabuisiertes Thema geworden, sondern vielmehr eine zärtliche Liebeserklärung an ihm – und damit auch uns – wichtige Menschen.