Die Farben sind so satt, dass die Augen beinahe schmerzen. So azurblau der Himmel, so weizenblond die Haare der anmutigen Siedlersgattin Marie. Seinen bestechend schönen Look trägt „The Salvation“ vor sich her wie ein gigantisches Ausrufezeichen: ich bin kein ausgewaschener Spätwestern voller Ambivalenzen, Grenzverwischungen und moralischen Uneindeutigkeiten, nein, stattdessen eine Reise ins Herz des Technicolor-Westerns, aufgehübscht durch eine Art Hyperrealität, ein Hyper-Western, versetzt mit all den bekannten, geschätzten wie verteufelten, Codes des Genres, aus der Zeit, als er seine Daseinsberechtigung nicht als einen weiteren Comebackversuch verstand, sondern die aufrechtesten Mythen und Helden gebar: John Wayne, Gary Cooper, James Stewart, Gregory Peck.
Es mag auf den ersten Blick wie eine gehörige Portion Ironie erscheinen, dass nun ein dänischer Film, vornehmlich in Südafrika gedreht, mit dänischen, britischen, französischen Darstellern besetzt – allein der Bösewicht ein Amerikaner – dieses uramerikanischste aller Genres auf eine derart traditionalistische Art und Weise interpretiert, aber einerseits folgt „The Salvation“ damit lediglich mit einigem Abstand deutschen Regisseuren wie Roland Emmerich oder Wolfgang Petersen, die dem amerikanischen Patriotismus viel hemmungsloser frönten als ihre heimischen Kollegen, und andererseits ahmt der Film nun letztlich die Westwärts-Bewegung seiner Protagonisten nach: dänischen Siedlern, die sich in den Vereinigten Staaten, an der Frontier, ein neues Leben aufzubauen hoffen.
Ob diese Blickrichtung auch für Regisseur Kristian Levring zutrifft, kann nur gemutmaßt werden, aber für den Filmemacher, der seinerzeit mit „The King Is Alive“ den vierten Dogma-Film drehte, ist „The Salvation“ eine 180-Grad-Abkehr von den einstigen Idealen. Ein Film, der in jeder Einstellung den Dogma-Regeln widersprechen würde, und genau damit so unerwartet gut fährt: mit der genüsslichen Übererfüllung der Genre-Konventionen, der grellen Überzeichnung und Archetypisierung bis hin zum Kintopp – große Jungs spielen Western, mit allem, was dazu gehört, und es ist die größte Auszeichnung des Films, dass dieses tausendfach Gesehene nicht zu einem einzigen schalen Klischeegebilde gerinnt, sondern geradezu frisch und bis zum unausweichlichen Showdown einnehmend mitreißend daherkommt.
Entscheidenden Anteil daran hat Hauptdarsteller Mads Mikkelsen, in dessen Filmographie die Rollen des einsamen, getriebenen Outlaws schleichend Überhand nehmen, sei es in „Michael Kohlhaas“, seinerseits bereits in gewisser Weise eine Art Pferdeoper, in Nicolas Winding Refns „Walhalla Rising“, der den klassischen wortkargen Western-Loner ins Nordische übertrug, oder gar in Thomas Vinterbergs „Die Jagd“, der das Motiv des Einzelnen gegen die Dorfgemeinschaft zwar in die Jetztzeit verlagerte, aber eben auch die ewig gültigen Topoi des Western wie Ehre, Recht und Gerechtigkeit verhandelte.
Der Gleichmut hat sich allerdings in „The Salvation“ in einen Stoizismus verwandelt und schließlich vorherrschend sind allein die Rachegelüste, die ein gerechtes, jedoch auch verlustreiches Gleichgewicht herstellen sollen, nachdem die Familie des dänischen Siedlers kurz nach ihrer Ankunft in der neuen Welt niedergemetzelt wird. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Die biblische Allegorie, die bis in den Titel hineinsickert, findet hier nur noch in ihrer Negierung statt: Erlösung bietet einzig der aufopfernde Kampf für die gute Sache, egal mit welch fragwürdigen Mitteln. Das Ziel ist das Ziel, nicht der Weg. Und die moralischen Ambivalenzen ein Dickicht, in das sich der Held guten Gewissens nicht verstrickt. So geradlinig sich der Bodycount dem finalen Duell entgegenaddiert, so kompromisslos gelingt „The Salvation“ die Aneignung der klassischen Western-Materie. Mission accomplished.