„Ein Selbstportrait durch andere“ heißt Angelina Maccarones Film über die britische Schauspielerin Charlotte Rampling im Untertitel. Tatsächlich ist „The Look“, der die Doppeldeutigkeit bereits im Namen trägt, keine gewöhnliche, mehr oder weniger chronologisch gegliederte filmische Biographie über Leben und Werk einer außergewöhnlichen Schauspielerin. Im Wechsel von der objektiven zur subjektiven Seite der Betrachtung, die intime Selbstzeugnisse und Statements von Freunden beziehungsweise künstlerischen Weggefährten vereint, inszeniert Maccarone vielmehr ein sehr konzentriertes, klar strukturiertes Portrait entlang zentraler Themen und existentieller Fragen. Diese gliedern den Dokumentarfilm in neun Kapitel, denen wiederum Ausschnitte je eines Films aus dem umfangreichen Œuvre Ramplings kunstvoll zugeordnet sind.
Den Begegnungen und Gesprächen mit ausgesuchten Freunden an ausgewählten Orten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. In Charlotte Ramplings Nachdenken über Alter und Schönheit, Liebe und Tod sind diese vertrauten Gegenüber Stichwortgeber und Resonanzkörper, die Erinnerungen und Reflexionen in Schwingungen versetzen. Im fotografischen, die Rollen tauschenden Flirt mit dem Starfotografen Peter Lindbergh etwa geht es um das komplizierte Wechselspiel von individuellem Ausdruck und seiner Widerspiegelung durch das Kamera-Auge; also darum, wie beispielsweise Ramplings legendärer, hier titelgebender „Blick“ den Blick des Fotografen lenkt und quasi mit Identität auflädt. Dabei bekennt sich die charismatische Schauspielerin ebenso zum instinktiven Spiel wie zum bewussten Tabubruch, der im Gespräch mit Juergen Teller über seine Fotos zum Buch „Louis XV“ sowie über Liliana Cavanis Skandalfilm „Der Nachtportier“ eine zentrale Rolle spielt.
So entstehen fast nebenbei auch kleine, skizzenhafte Portraits der Gesprächspartner, zu denen neben den beiden erwähnten Fotografen unter anderen auch die Schriftsteller Paul Auster und Frederick Seidel gehören. Den französischen Filmemacher François Ozon, der mit seinen in Ausschnitten zitierten Filmen „Unter dem Sand“ und „Swimming Pool“ der Schauspielerin ab dem Jahr 2000 zu einem künstlerischen Comeback verhalf, konnte Maccarone leider nicht gewinnen. Dafür findet sie in Ramplings ältestem Sohn Barnaby Southcombe, der als Regisseur und Schauspieler arbeitet, einen Sparringspartner, der bei einer nach der Meisner-Technik improvisierten Reaktionsübung im Boxring auf spielerische und sehr persönliche Weise die „Resonanzen“ verstärkt und zugleich fiktionale Brechungen erzeugt. Diese korrespondieren wiederum mit Maccarones dokumentarischem Stil, der die Anwesenheit des kleinen Filmteams über Spiegeleffekte integriert. „The Look“ verdichtet sich so zum facettenreichen Bild einer selbstbewussten, nachdenklichen Schauspielerin und starken Frau, die sich mit ihrem Faible für kontroverse und komplexe Rollen immer wieder gezielt jenseits des reinen Unterhaltungskinos positioniert.