Vielleicht muss man es sich einfach noch mal vergegenwärtigen: „Remake“ heißt zunächst einmal nur „wieder machen“ und meint vor allem Geld. Das gilt selbst dann, wenn das Original ein finanziell eher erfolgloser Film war. „Remake“ bedeutet eben nicht zwangsläufig, die Essenz eines einstmals spannenden Stoffs auf ihre aktuelle Relevanz hin zu überprüfen und für die Gegenwart zu adaptieren – oder auch nur an „moderne Sehgewohnheiten“ anzupassen. Die zahlreichen Remakes und „Reboots“ der letzten Zeit legen davon ein meist trauriges Zeugnis ab.
Dass George Andrew Romeros „The Crazies“ aus dem Jahr 1973 nun ein Remake erfahren hat, dürfte vor allem daran liegen, dass die originären Zombiestoffe des Regisseurs in den letzten Jahren bereits offiziell neu inszeniert worden sind und somit fürs erste als Erfolg versprechendes Quellmaterial ausfallen. Denn sie sind es vor allem, die das Horrorkino entscheidend geprägt und zu Nachahmungen, Hommagen und Parodien angeregt haben. „The Crazies“ aber erinnert mit seinen durch ein Virus verrückt und gewalttätig gewordenen Menschenmassen hier und da auch ein wenig an Zombiehorden und weckt vergleichbare Assoziationen von Endzeit und Apokalypse. Es war deshalb wohl das Ziel, mit dem Remake dieses Films dem Subgenre des Zombiefilms (der ja inzwischen ohnehin oft „Infizierte“ meint) so nahe wie möglich zu kommen, denn alles, was „The Crazies“ seinerzeit zum eigenständigen, höchst subversiven und noch heute interessanten B-Picture machte, wurde im Zuge der Adaption ziemlich konsequent zugunsten einer uninspirierten Horrorinszenierung über Bord geworfen.
„The Crazies“ erzählt vom Ausbruch eines biologischen Kampfstoffs in einer amerikanischen Kleinstadt. Das Virus gelangt bei einem Flugzeugabsturz ins Grundwasser, führt innerhalb weniger Tage zum Wahnsinn und lässt die Menschen Amok laufen. Ein Gegenmittel gibt es nicht, und das Militär greift so brutal wie dilettantisch ein, um eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern. In Romeros Original versucht eine Gruppe von internierten Einwohnern, angeführt von zwei Feuerwehrmännern, die als Soldaten in Vietnam waren, die Militärblockade zu durchbrechen. Das Vorhaben scheitert. Selbst heute ist das zynische Ende von Romeros Film nur schwer erträglich: Die schwangere Freundin des Helden, inzwischen erkrankt, stirbt in seinen Armen, er selbst wird von den anonymen Soldaten mit ihren Gasmasken und den weißen Schutzanzügen wieder gefangen genommen und mit den Infizierten eingepfercht, obwohl er offensichtlich immun gegen das Virus ist. Die Zeit für einen Bluttest aber will sich niemand nehmen, denn Kranke werden längst offiziell als Feinde betrachtet. Derweil ist das Virus bereits in der nächsten, größeren Stadt angekommen.
Romeros Abgesang auf die Armee und das staatliche Krisenmanagement ist deutlich als Reaktion auf den Vietnamkrieg zu verstehen. Die große Leistung seines Films ist, dass er über die persönliche Ebene der Protagonisten hinausweist und analytisch die Zusammenhänge zeigt, die diese Tragödien verursachen: die Fehlentscheidungen der Militärführung, die Konflikte mit lokalen Politikern und Polizisten, marodierende Soldaten, die Machtlosigkeit der Wissenschaftler, die unter den gegebenen Umständen nicht helfen können. Einem seiner Ex-Soldaten legt Romero die Worte in den Mund: „The army ain’t nobody’s friend, man. We know – we’ve been in.” Die nicht gerade subtile Dekonstruktion eines inkompetenten Machtapparats und seiner brutalen Vollzugsorgane ist New Hollywood par excellence – provozierend und radikal bis hin zum Finale. In Breck Eisners Hochglanz-Remake ist davon leider wenig übrig, obwohl Romero selbst als ausführender Produzent beteiligt war.
„The Crazies“ will in der neuen Version ohne die Perspektive des Militärs und der Wissenschaftler auskommen und konzentriert sich stattdessen ganz auf seine neuen Hauptfiguren, Sheriff David Dutten (Timothy Olyphant), dessen schwangere Frau Judy (Radha Mitchell) und den Deputy Russel (Joe Anderson). Allein diese Verschiebung des Fokus und der Identifikation ausgerechnet auf die gesetzlichen Vertreter von Recht und Ordnung verkennt die Intention des Originals. Und während Romero das Setting innerhalb von fünf Minuten etablierte, um es für seine grausame Versuchsanordnung zu nutzen, lässt das Drehbuch des Remakes die Helden durch ihre eingeschränkte Perspektive lange darüber im Unklaren, was genau passiert – im Gegensatz zum genreaffinen Zuschauer.
Während Romeros Original den Kern des Konflikts klar zwischen den internierten Einwohnern und den anonymen Soldaten verortet – selbst die Infizierten gehen meist gegen das Militär vor und wirken dabei wie eine skurrile Bürgerwehr –, bemüht sich das Remake um Standardsituationen des Horrorfilms, in denen fast immer die Infizierten, nicht die Soldaten, zur Bedrohung für die Heldengruppe werden. Mit ihren blutunterlaufenen Augen und den hervortretenden Adern werden sie dabei kaum anders eingesetzt als Zombies. Die im Original so verstörende Beiläufigkeit, wenn etwa eine strickende alte Frau plötzlich lächelnd eine Nadel als tödliche Waffe benutzte und sich dann wieder hinsetzte, als sei nichts geschehen, weicht im Remake einer animalischen, klassisch-monströsen Zielstrebigkeit der Infizierten und übertriebenen Situationen: Es müssen eben gleich der infizierte Pathologe mit der Knochensäge und der Slasher mit der Mistgabel kommen. Die einzige Szene, in der die Flüchtenden tatsächlich mit Soldaten konfrontiert werden, beinhaltet sogleich eine Relativierung. Sie nehmen einen der Soldaten gefangen, demaskieren ihn (d.h. geben ihm ein Gesicht) und verschonen ihn schließlich gegen das Versprechen, sie nicht zu verraten. Denn der junge Mann hat mitten in der Kampfhandlung ein Einsehen und korrigiert seinen Einsatzplan: „Ich bin nicht gekommen, um unbewaffnete Zivilisten zu erschießen.“ Man kann Romeros Original seine Plakativität zum Vorwurf machen, aber im sich so subtil gebenden Remake wirken derlei Phrasen umso lächerlicher. Alles Subversive wird gnadenlos geglättet, goutierbar gemacht und der Stoff so seines Potenzials beraubt. Dass die Helden am Ende mit Zeugnissen eines Massakers konfrontiert werden, dessen visuelle Umsetzung gleich die krassesten Erinnerungen an Deportationen wecken muss, macht die nicht einmal halbherzige Angelegenheit kaum besser. Die oberflächliche Splatter-Gewalt freilich wird klischeehaft zugespitzt und tut ja inzwischen niemandem mehr wirklich weh.
Es ist also offensichtlich, dass die Neufassung von „The Crazies“ zuvörderst etwas ganz anderes im Sinn hat als eine Neuformulierung ätzender Kritik: die zahlreichen Fans von Zack Snyders Remake von „Dawn of the Dead“ (2004), einer interessanten und ziemlich populären Neuinterpretation von Romeros Zombieklassiker. Eisners Musikauswahl verweist direkt auf diesen Vorläufer, denn Snyder begann seinen Film mit dem Song „The Man Comes Around“ von Johnny Cash. Er begleitete die Bilder vom Untergang der Zivilisation, und das ergab Sinn, denn mit „the man“ ist der Tod gemeint. Eisner nun unterlegt die Bilder der Kleinstadtidylle mit Cashs Interpretation von „We’ll meet again“, dem Song, der das Finale von Kubricks „Dr. Strangelove“ begleitete. Wirklich viel Sinn ergibt das, selbst im Vorgriff auf die Auflösung des Films, aber nicht. Zwar lässt auch Eisner die Bombe hochgehen, aber nicht als zynische Schlusspointe, die allen Bemühungen ein Ende setzt, und seien sie noch so redlich (wie etwa in Dan O’Bannons konsequenter Hommage „The Return of the Living Dead“ aus dem Jahr 1985), sondern als bloßes Spektakel, dem die Helden zu guter Letzt auch noch entgehen, denn ihr Truck besteht offenbar aus dem selben Material wie der Kühlschrank, der Indiana Jones in seinem letzten Abenteuer aus einer ähnlichen Situation rettete.
Am Ende bleibt ein Film, der auf oberflächliche Weise zu unterhalten vermag, der aber mit „The Crazies“ letztlich ebenso viel oder wenig gemein hat wie mit Wolfgang Petersens „Outbreak“. Vielleicht muss man Milde walten lassen und darf von Remakes einfach nicht mehr so viel erwarten. Aber wo sollte das hinführen?