The Bling Ring

(USA 2013; Regie: Sofia Coppola)

So gut wie kein Sex

Sie sind jung und schön und konsumgeil. Sie kommen aus wohlhabenden Elternhäusern, besuchen angesagte Promi-Partys und träumen davon, berühmt zu werden. „Ich möchte Teil vom Lifestyle sein“, lautet ein Satz, der diese popkulturelle Sehnsucht beschreibt. Andy Warhol könnte sein Pate sein. Wenn es allerdings um den Narzissmus der überwiegend weiblichen Figuren, ihren ausufernden Markenfetischismus und ihre von Drogen benebelte Vergnügungssucht geht, fühlt man sich eher an das Personal aus den Romanen von Bret Easton Ellis erinnert; oder auch an die in totaler Erschöpfung mündenden Exzesse einer auf Spaß fixierten Jungend in Harmony Korines Film „Spring Breakers“. Nur gibt es in Sofia Coppolas neuem Film „The Bling Ring“ so gut wie keinen Sex. Ihre Heldinnen und Helden zelebrieren das Äußerliche und huldigen den Oberflächenreizen als wären sie schon unberührbare Stars aus einer irgendwie jenseitigen, aseptischen Sphäre. Sein und Schein sind in ihrem Leben identisch und definieren sich über das Haben.

Das Streben nach höheren Weihen und einem exquisiten Lebensstil führt die hedonistische Clique um Marc (Israel Broussard) und Rebecca (Katie Chang) fast unweigerlich zu Beutezügen in den Häusern und Luxusappartements der von ihnen angehimmelten Idole. So gehören etwa Paris Hilton, Lindsay Lohan, Orlando Bloom und Megan Fox zu den Beklauten, die sich bezeichnenderweise offensichtlich nicht einmal die Mühe machen, die Türen ihrer Anwesen angemessen zu verschließen. Der schrille (je nach Lesart auch kulturkritische) Alarm zu diesen nach wahren Ereignissen inszenierten Einbrüchen wird dementsprechend nicht von einer Sicherheitsanlage ausgelöst, sondern gleich zu Beginn über die Noise-Musik der Band Sleigh Bells vermittelt. Darauf folgt die doppeldeutige Aufforderung „Lasst uns shoppen!“ Geradezu ekstatisch greifen die kalifornischen Kids nach Schmuck und Uhren, Handtaschen, Kleidern und Bargeld, wobei ihre Euphorie nur noch Worthülsen eines ungläubigen Staunens produziert: „Cool“, „geil“, „krass“, „Hammer“ oder auch „Oh, mein Gott!“ Die von Luxusartikeln und Konsumrausch geweckte Erotik hat den realen Sex abgelöst.

Noch bei ihrer Festnahme zeigen die Jugendlichen, die zuvor mit ihren Taten auf Partys und im Internet prahlen, wenig Unrechtsbewusstsein. Vielmehr wähnen sie sich vor den TV-Kameras als Stars mit Sendungsbewusstsein, die die „kranke Faszination Amerikas“ verkörpern. Sofia Coppola blickt darauf fast neutral und verdichtet dabei die redundante Handlung in einem permanenten Wechsel aus Beutezug und Party, Entzückung und Rausch. Ihr Film erzählt keine Entwicklung, sondern bildet (mitunter leicht ironisiert) Zustände und Äußerungen eines oberflächlichen Lebensstils ab, die immer wieder von Interviews einer „Vanity Fair“-Journalistin unterbrochen werden. Während diese die Anbindung an den realen Fall dokumentieren, vermittelt Sofia Coppola in schwebenden Zeitlupen, delirierenden Montagen und exzessiven Musikeinsätzen das Lebensgefühl einer anderen, fremden Jugend, die vom modernen Medienkonsum geprägt, ja infiziert ist. Ihr Film „The Bling Ring“ reiht sich so nahtlos ein in ein Werk, das um Einsamkeit, existentielle Leere und Oberflächlichkeit kreist und gerade durch seine Modernität sowie seine inhaltliche und ästhetische Geschlossenheit Coppola als eine der interessantesten und wichtigsten zeitgenössischen Filmemacherinnen ausweist.

Benotung des Films :

Wolfgang Nierlin
The Bling Ring
USA 2013 - 90 min.
Regie: Sofia Coppola - Drehbuch: Sofia Coppola - Produktion: Roman Coppola, Sofia Coppola, Youree Henley - Bildgestaltung: Christopher Blauvelt, Harris Savides - Montage: Sarah Flack - Musik: Daniel Lopatin, Brian Reitzell - Verleih: Tobis - FSK: ab 12 Jahren - Besetzung: Emma Watson, Leslie Mann, Taissa Farmiga, Erin Daniels, Israel Broussard, Nina Siemaszko, Halston Sage, Katie Chang, Maika Monroe, Stacy Edwards, Claire Julien, Gavin Rossdale, Brenda Koo, Deidre Arrington, Joe Nieves
Kinostart (D): 15.08.2013

DVD-Starttermin (D): 19.12.2013

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt2132285/