Es regnet oft und ausgiebig und vor allem echt in diesem schönen, kleinen Film aus Uruguay, der das Wasser bereits in seinem Titel trägt. „Tanta agua – Nichts als Regen“, das Spielfilmdebüt der beiden Regisseurinnen Ana Guevara und Leticia Jorge, ist ein sehr trocken und lakonisch erzählter Regenfilm, der sein leitmotivisches Element Wasser sowohl inhaltlich als auch metaphorisch auf vielfältige Weise einsetzt. Unspektakulär, aber bestimmt entsteht so eine fast soghafte Atmosphäre der Langeweile und Tristesse, ein Raum des Stillstands, in dem sich die Mitglieder einer dysfunktionalen Familie zögerlich aufeinander zu bewegen. Verstärkt wird dieses Verlorenheitsgefühl noch durch die vielen distanzierten Blicke durch Fensterscheiben, die einen klaustrophobischen Rahmen setzen und die portraitierten Figuren förmlich einsperren, aber damit auch in eine verschärfte Beziehung zueinander bringen. Die sparsam eingesetzte, irgendwie illusionslos dahinfließende Musik nimmt diese Stimmung kongenial auf. Stilistisch und in seinem tragikomischen Tonfall erinnert „Tanta agua – Nichts als Regen“ mitunter an die Arbeiten des ebenfalls aus Uruguay stammenden Filmemachers Pablo Stoll.
Schon als der geschiedene Familienvater Alberto (Néstor Guzzini), ein korpulenter Chiropraktiker aus Montevideo, seine beiden Kinder Lucía (Malú Chouza) und Federico (Joaquin Castiglioni) bei seiner Ex-Frau Carmen für eine gemeinsame Ferienfahrt abholt, regnet es in Strömen. Während das Wasser unvermindert heftig auf das Dach und die Scheiben des Autos prasselt, dessen Kennzeichen übrigens die Buchstaben „SAD“ trägt, geht es im Wageninnern verstockt und schweigsam zu. Das pubertierende Mädchen ist lustlos und genervt, derweil vermisst ihr jüngerer Bruder die Mama. Alberto wiederum beschränkt seine Kommunikation auf erzieherische Anweisungen und versucht etwas unbeholfen, im Feriendomizil in der Nähe von Salto angekommen, durch trotzigen Aktionismus die Stimmung aufzuheitern: „Schwimmen im Regen ist am schönsten.“ Doch wegen Blitzschlaggefahr ist der Badebetrieb verboten.
Also versucht es Alberto mit einer wenig prickelnden Besichtigung eines Wasserkraftwerks und einer Exkursion zum Río Uruguay. Doch erst die Begegnung mit außenstehenden Figuren bringt etwas Bewegung in das festgefahrene Beziehungsgeflecht der Figuren. Während Albert heimlich einen Urlaubsflirt beginnt und sich „Fedo“ mit einem Gleichaltrigen aus der Nachbarschaft anfreundet, verliebt sich „Lu“ schüchtern in einen etwas älteren Jungen. Als dieser sich jedoch mehr für ihre neugewonnene Freundin Madelón (Sofía Azambuya) interessiert, reagiert Lucía mit Eifersucht und Enttäuschung. Zwar findet sie zögerlich und fast unmerklich doch noch zu einem Austausch mit dem Vater, der sich entschieden und verantwortungsbewusst immer wieder um seine Kinder kümmert, doch im vielschichtigen Schlussbild möchte sie nur noch verschwinden. Auf ebenso originelle wie kunstvolle Weise verbinden Ana Guevara und Leticia Jorge in ihrem Film das stille Drama der Pubertät mit der liebevollen Hommage an einen Vater. Ihren Vätern wiederum haben sie übrigens „Tanta agua“ gewidmet.