Der titelgebende Wiener Escortservice „Tag und Nacht“ ist ein kleines, privates Unternehmen, das insgesamt sechs Prostituierte beschäftigt und deren Sex-Dienste via Internet offeriert. Zuhälter Mario (Philipp Hochmair), ein Amateur mit Profi-Attitüde, der die Geschäfte über seine verwahrloste Privatwohnung abwickelt, gibt sich gegenüber den beiden neuen Frauen in seinem Team locker, gutgelaunt und höchst zufrieden: Er habe neben drei Osteuropäerinnen noch seine Frau Sissi (Martina Spitzer) am Start, alles laufe bestens. Unter diesen Voraussetzungen erhoffen sich die beiden Studentinnen Lea (Anna Rot) und Hanna (Magdalena Kronschläger) leicht und schnell verdientes Geld. Außerdem, so glauben sie, ist für sie ein Spiel, was die erfahrenere Sissi für sich einmal als Leben bezeichnet.
Die Motivation der beiden jungen Frauen in Sabine Derflingers realistischer Milieustudie „Tag und Nacht“ ist vielleicht ein wenig dürftig. Sie dient der österreichischen Regisseurin jedoch für einen detaillierten Einblick in die (unbekannte) Welt der Sexarbeiterinnen. Darüber hinaus generieren die wechselnden Begegnungen mit mehr oder weniger perversen Kunden, der Sex auf Abruf und die Milieus, in denen er stattfindet, die revueartige Struktur des Films. Ein Panoptikum der Perversionen vom Klischee behafteten koksenden Geschäftsmann, über den verklemmten Verbalerotiker bis zum romantisch umwölkten Freier mit BH, Strapse und einem obszönen Gedicht auf den Lippen wird hier vorgeführt. Wofür Derflinger allerdings Alltäglichkeit und Normalität beansprucht, was sich wiederum in der ungeschönten Ästhetik des Films niederschlägt: „Alles das, was sonst wegfällt, wollte ich so normal wie möglich zeigen.“
Vor allem erzählt ihr Film „Tag und Nacht“ aber die Geschichte einer langsam zerbrechenden Freundschaft in zunehmend desillusionierenden prekären Verhältnissen. Immer stärker wird das Leben von Lea, die sich cool und selbstbestimmt gibt, und der etwas unsicherer und labiler wirkenden Hanna vom dunklen Sog des neuen Jobs absorbiert, infiltrieren schwerwiegende Kontrollverluste ihren nur scheinbar geordneten Alltag. Hanna vernachlässigt ihr Studium der Kunstgeschichte und scheitert in einer Prüfung, während Lea sich resigniert für ein Schauspielstudium bewirbt. Einmal bezeichnet sie sich als „Abbrecherin“; dabei trägt die beiden gemeinsame Perspektivlosigkeit gerade bei ihr antibürgerliche Züge. Immer deutlicher driften die Freundinnen ab und entfernen sich dabei zugleich voneinander. In schmerzliche Ironie verkehrt sich deshalb jener Satz, den eine der beiden einmal zu Beginn ihrer abenteuerlichen Unternehmung äußert: „Männer kommen und gehen, aber wir zwei sind Königinnen.“