„Was für ein junger Mensch bin ich?“, lautet die Frage für den Aufsatz, den ein Lehrer aus dem walisischen Swansea seinen Schülern als Hausaufgabe aufgibt in der Hoffnung, sie mögen in der Behandlung des Themas ihr Selbst entdecken. Der 15-jährige Oliver Tate (Craig Roberts), ein dezidierter Individualist und schrulliger Antiheld, ist einer von ihnen. In Richard Ayoades phantasievoller Coming-of-age-Komödie „Submarine“ monologisiert der sympathische Nerd mit den großen, wunderlichen Augen und dem stets starren Blick mittels Voice-over unentwegt über diese Frage. Weil der Einzelgänger mit dem übergroßen Liebesbedürfnis wie alle jungen Menschen in diesem Alter von der eigenen Besonderheit überzeugt ist und sich in seinen Tagträumen am wohlsten fühlt, krönt er seine tränenreichen Todesphantasien, in denen er zum allseits beliebten und bewunderten Helden aufsteigt, mit einer „glorreichen Auferstehung“.
Leicht über der Realität schwebt auch Richard Ayoades bemerkenswertes, assoziativ gebautes Spielfilmdebüt, das voller spleeniger Einfälle steckt und seinen originellen Witz aus der engen, mitunter Dissonanzen erzeugenden Verschränkung von Text und Bild bezieht. Seine virtuose Montage, das Spiel mit filmischen Effekten und der verschroben ironische Tonfall erinnern mitunter an die Filme von Wes Anderson. Mit der Blockschrift der Vorspanntitel, der Gliederung des Films in verschiedene Kapitel, der elliptischen Erzählweise und den filmmusikalischen Anklängen an Georges Delerue beschwört Ayoades „Submarine“ aber auch den Geist der Nouvelle Vague.
Wenn Oliver mit seiner Angebeteten Jordana Bevan (Yasmin Paige) im Foyer des „Cinema Neptune“ steht, wo Carl Theodor Dreyers „La passion de Jeanne d’Arc“ läuft, und ihr mit kennerischer Geste Bücher von Shakespeare („König Lear“), Nietzsche und Salinger („Der Fänger im Roggen“) empfiehlt, könnte das auch aus einem Godard-Film stammen. Tatsächlich ist die flirrende, in zeitlosen Koordinaten situierte Beziehung der beiden nach „zwei Liebeswochen“ („Two weeks of lovemaking“ lautet der Titel ihres gemeinsam gedrehten Super-8-Films) in einer ernsthaften Krise gelandet: Seit seine neurotische Mutter Jill (Sally Hawkins) im Verdacht steht, den unverhohlenen Avancen ihres Jugendfreundes und praktizierenden New Age-Gurus Graham Purvis (Paddy Considine) erneut zu erliegen und ihr Mann Lloyd (Noah Taylor), ein scheuer Meeresbiologe, darüber in einer Depression versinkt, versucht der argwöhnische Oliver seine Familie zu retten. Und weil er darüber Jordana – die überdies unter der schweren Krankheit ihrer Mutter leidet – vernachlässigt, zieht diese sich von ihm zurück. In seinem Liebeskummer fühlt sich Oliver „wie unter Wasser“. Doch die von ihm für schlechte Zeiten erträumte Seifenoper-Abblende bleibt aus. Stattdessen wagt Oliver, vom Spiel mit dem Feuer beflügelt, mutige Schritte ins kalte Wasser.