Spuren

(AU 2013; Regie: John Curran)

„Haut die (Kamel-)Bullen platt wie Stullen!“

Ein rätselhafter Film! Ich erinnere, verstört aus dem Kinosaal ins frühlingshaft Helle getaumelt zu sein. Mit dem Gefühl, Opfer eines dreisten Trickbetrügers geworden zu sein, der mich, Fan von Nicolas Roegs „Walkabout“, Werner Herzogs „Fata Morgana“, Gerard Depardons „La Captive du désert“ und der ersten hierzulande bekannt gewordenen Filme Peter Weirs, im schlechtesten aller Sinne in die Wüste geschickt hatte.

Mensch, Frau, allein, in der Wüste Australiens? Nach einer wahren Geschichte? Einsamkeit und Schönheit und Abenteuer. Da müsste doch was zu machen sein? Nach knapp zwei Stunden hatte ich selbst die Halluzinationen, hörte gar Herbert Grönemeyer rufen. „Was soll das?“ Anders gesagt: wenn „Spuren“ von John Curran ganz, ganz clever wäre, dann räumte der Film mit dem Mythos des Abenteuerlichen auf (was der Film auf einer Ebene ja auch tut), aber ansonsten bleibt er eine völlig spannungslose Aneinanderreihung des Lapidaren um eine schwache Hauptdarstellerin, die eine komplett unsympathische, asoziale Figur spielt. Kurz bevor gar nichts mehr passiert, wird mal ein brünftiger Kamelbulle ins Bild gejagt (gefährlich, gefährlich!) oder aber ein treuer Hund stirbt (ganz, ganz traurig!) oder ein Farmhaus steht einsam am Wegesrand (anrührend, dieses alte Farmer-Pärchen!). Ich hatte einen Film á la „Walkabout“ erwartet, aber das Outback sah hier ungefähr so sexy aus wie eine Brache hinterm „Aldi“-Parkplatz.

Worum geht‘s? Mitte der 1970er Jahre entschließt sich die aus nicht näher formulierten Gründen zivilisationsmüde Robyn Davidson, gespielt von Mia „Alice im Wunderland“ Wasikowska, ganz allein, begleitet nur von vier Kamelen und ihrem treuen Hund Diggity, die australische Wüste von Alice Springs bis zum Indischen Ozean zu durchwandern. Warum? Warum nicht? Allerdings ist sie so derart allein, dass sie sich zunächst erst einmal die Kamele »verdienen« muss, was dem Film einen etwas umständlichen Prolog verschafft, der davon erzählt, dass mit Kamelzüchtern, die aus Österreich stammen, nicht gut Kirschen essen ist.

Bevor ihr Plan vollends scheitert, entschließt sich Robyn, die Fotorechte an ihrem Abenteuer exklusiv an den jungen und sehr sympathischen „National Geographic“-Fotografen Rick Smolan zu verkaufen, der sie zwar nicht als fünftes Kamel begleiten wird, aber immer mal wieder aus dem Nichts mit seinem Landrover vorbeischaut, um ein paar Fotos zu schießen. Dass ein Fotograf fotografiert, hat Robyn offenbar nicht bedacht, als sie die Fotorechte veräußerte. Jedenfalls stört der »embedded journalist« Rick das Gefühl, die Zivilisation so richtig ganz hinter sich gelassen zu haben, mitunter ganz entschieden. Immerhin: eine Liebesgeschichte entwickelt sich nicht oder nicht ganz oder nur fast, zum Glück für Schmusehund Diggity.

Manchmal, wenn es wohl selbst dem Filmteam etwas zu langweilig wurde, Kamelen beim Kamel-Sein zuzuschauen, erlaubt sich der Film, durch Rückblenden nachzuforschen, was Robyn vielleicht im Innersten umgetrieben haben mag. Lag es, huch, in der Familie? Eine immerhin unterhaltsame Episode ist dann die Begegnung mit dem Aborigine-Ältesten Mr. Eddy, der sich bereit erklärt, Robyn durch ein „heiliges Land“ zu führen, um ihr (und uns!) einen Umweg von vielen hundert Meilen zu ersparen. Kommt es zu einer spirituellen Übertragung? Wir wissen es nicht, aber schon die Präsenz von Mr. Eddy nimmt dem Film etwas von seiner Bräsigkeit. Am Ende wartet dann blaues Wasser vor weißem Wüstensand, ein happy end – und aus dem Selbsterfahrungstrip wird ein internationaler Buchbestseller mit tollen Fotos, der Davidson eine schöne Karriere beschert.

Heute, so weiß das Presseheft, kennt jeder Australier diese Geschichte, die – so die Macher – es nicht verdient hatte, ein routinierter Hollywood-Film zu werden. So mit Star-Power und dramaturgischen Zuspitzungen. Dann schon lieber vielsagendes Geplätscher für zivilisationsmüde Esoteriker. Im Presseheft findet sich auch folgende Reflektion der Film-Produzenten, warum sie sich so intensiv um die Rechte am Stoff bemüht hätten. Die Reise der Robyn Davidson, die genug hatte vom „Geplapper ihrer Mittelklasse-Freunde, die immer nur über Politik und ihre beruflichen Pläne diskutierten“, ist nämlich heutzutage, wo Politik und berufliche Pläne besser nicht mehr diskutiert werden, brandaktuell: „Der Gedanke, alles abzuschalten und hinter sich zu lassen, um wirklich bei sich selbst anzukommen, ist heute verlockender denn je. Und genau diese Suche nach der eigenen Authentizität war es, die uns an diesem Film so gereizt hat.“

Wer es sich allerdings ersparen will, brünftige Kamelbullen abzuknallen, um seine ganz eigene Authentizität zu erkunden, kann natürlich auch alles abschalten und sich mit zwei Flaschen Wodka in den Schnee legen. Die österreichische Methode. Gehts scheißen!

Benotung des Films :

Ulrich Kriest
Spuren
(Tracks)
Australien 2013 - 112 min.
Regie: John Curran - Drehbuch: Marion Nelson - Produktion: Iain Canning, Emile Sherman - Bildgestaltung: Mandy Walker - Montage: Alexandre de Franceschi - Musik: Garth Stevenson - Verleih: Ascot Elite - FSK: ab 6 Jahren - Besetzung: Mia Wasikowska, Adam Driver, Emma Booth, Rainer Bock, Jessica Tovey, Melanie Zanetti, Robert Coleby, Tim Rogers, John Flaus, Darcy Crouch, Roly Mintuma, Felicity Steel, Lily Pearl, Daisy Walkabout
Kinostart (D): 10.04.2014

DVD-Starttermin (D): 30.11.-0001

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt2167266/