„Eigentlich ist alles super.“ Aber: „Ich hab‘ keine Zeit!“ Flankiert von Familienbildern und privaten Geschichten, wählt Florian Opitz für seinen Dokumentarfilm „Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ die persönliche Perspektive, um die „verdammte Raserei“ als gesellschaftliches Phänomen zu untersuchen. Dabei hat er für seinen individuellen Ansatz, dem er in lockerem Plauderton folgt, gute Gründe: Persönliche Schicksalsschläge, die Geburt seines ersten Sohnes und ein drohendes Burnout lassen ihn innehalten, um die Frage nach dem guten Leben zu stellen und sich auf die Suche nach der schmerzlich vermissten Muße und Gelassenheit zu machen. In zahlreichen Gesprächen mit Experten und Aussteigern umkreist er das Thema der Beschleunigung, dem er trotz einiger Redundanzen und einem zeitgerafften, etwas überfrachteten Mix mitunter wenig aussagekräftiger Illustrationen immer wieder neue Facetten abgewinnt. Das liegt zweifellos an den interessanten Gesprächspartnern, denen man gerne zusammenhängender, also ohne Unterbrechung des zeitlichen Redeflusses zugehört hätte.
„Gehe langsam, wenn du es eilig hast“, lautet die scheinbar paradoxe Formel des Zeitmanager-Gurus Lothar Seiwert, der mit faulem Zauber und griffigen Slogans gestressten Führungskräften die „Prioritätensetzung“ predigt. Aber gerade dieses angeblich einfache Trennen des Wichtigen vom Unwichtigen und also das Wählen im unüberschaubaren Feld zunehmender Möglichkeiten ist ja das Problem von Florian Opitz und vielen seiner Zeitgenossen. Alex Rühle von der Süddeutschen Zeitung, der sich selbst – nicht ohne Koketterie – mediales Suchtverhalten attestiert, hat sich deshalb ein zeitlich begrenztes, sicherlich auch privilegiertes „digitales Fasten“ verordnet und dabei das Verschwinden der analogen Welt bemerkt. Ein ehemaliger Banker von Lehman Brothers wiederum ist unter zunehmendem Leistungsdruck ausgestiegen, um als Berghüttenwart endlich „im Jetzt zu leben“ und damit die „Gegenwart aufzuwerten“.
Florian Opitz, der seinen Film als politischen, gar gesellschaftskritischen versteht, bleibt im Rahmen seiner weltweiten Recherchen jedoch nicht bei den Einzelfällen stehen, sondern dehnt seine Suche nach den Ursachen der allgemeinen Zeitnot aus auf das Feld der modernen Arbeitswelt. Unterstützt von den profunden Analysen des Soziologen Hartmut Rosa trifft er sich in London mit den „Beschleunigern“ der entfesselten Wirtschafts- und Finanzmärkte, die Zeit in Geld verwandeln und dabei die Kontrolle zunehmend an Automaten abgeben. Als „Drang zur Weltverbesserung“ bezeichnet dies tatsächlich Antonella Mei-Pochtler, eine der führenden Unternehmensberaterinnen.
Opitz findet aber auch Alternativen zum gesellschaftlichen Mainstream: Er besucht eine Bergbauernfamilie, die noch einem natürlichen Lebens- und Arbeitsrhythmus folgt; er erkundigt sich in Bhutan nach der Politik des „Bruttonationalglücks“ und trifft sich in Chile mit dem ehemaligen Unternehmer Douglas Tompkins, der in großem Stil Land und Wälder kauft, um in geschützten Nationalparks der Natur die nötige Zeit zu ihrer Entfaltung zurückzugeben und damit den „Raum zu entschleunigen“. „Ich beschleunige die Entschleunigung“, sagt der Gründer der Modefirma Esprit dabei lachend, um die Dringlichkeit seines Projekts zu erklären. Auch wenn in der paradox anmutenden Logik der Analyse dafür Geld und also Zeit notwendig sind, muss sich unsere Gesellschaft also beeilen, um die Raserei irgendwie aufzuhalten.