Gleißendes Sonnenlicht, in leuchtende Streifen zerlegt, fällt in einen Wald. Dazu erklingt Renaissance-Musik von William Byrd. Sie verwandelt das unwegsame Dickicht in einen sakralen Raum und das Licht in göttliche Strahlen. Nach einem Schnitt sitzt ein Mann in einem Raum vor einer Wand, die wie ein Triptychon dreigeteilt ist: Während die beiden Außenflügel von Fenstern gebildet werden, die den Blick auf eine großstädtische Hochhausarchitektur lenken, dominiert im zentralen Mittelteil der Wand ein sattes Dunkelgrün. Nach einem weiteren Schnitt folgt die Kamera dem Mann – es ist der Musikethnologe Louis Sarno – durch das dichte Grün des zentralafrikanischen Regenwaldes mit seiner intensiven Geräuschkulisse aus unterschiedlichsten Tierlauten. In der abgeschiedenen Wald-Einsamkeit verschmilzt die Fülle des Lebens mit einem Gefühl der Zeitlosigkeit.
In wenigen Einstellungen versammelt der renommierte Reisejournalist Michael Obert die Themen seines Debütfilms „Song from the Forest“: den Kontrast zwischen Natur und Zivilisation, die „Suche nach spiritueller Gelassenheit“ und dem „großen Ganzen“ (Sarno), die Bedrohung von Lebensräumen einer uralten Kultur sowie die heilsame Kraft der Musik. Denn es waren die polyphonen Gesänge der Bayaka-Pygmäen, die den amerikanischen Musikologen berührten und wie magisch anzogen. Seit mittlerweile 25 Jahren lebt er nun bei den afrikanischen Wald-Nomaden inmitten einer fremden Kultur, die ihn aufgenommen, ja förmlich aufgesogen hat. Dabei findet er in der Zivilisationsferne nicht nur eine ihm gemäße Lebensform, sondern er dokumentiert auch die im Verschwinden begriffene Musik der Baka.
Als sein Sohn Samedi, das gemeinsame Kind mit einer Einheimischen, 13 Jahre alt ist, unternimmt er mit ihm eine Reise nach New York. Immer wieder liefert die Metropole mit ihren Wolkenkratzern und dem permanenten Verkehrslärm extreme Kontraste, die noch verstärkt werden durch Einspielungen der Pygmäen-Musik. So treffen beispielsweise die ekstatischen, von Trommeln und Gesängen befeuerten Tänze der Bayaka auf das hektische Konsumleben einer westlichen Großstadt. Sarno besucht Freunde und Verwandte, zum Beispiel seinen ehemaligen Studienkollegen, den Filmemacher Jim Jarmusch; oder auch seinen wohlhabenden Bruder, der ein ganz anderes Leben führt, sich aber aufgeschlossen und tolerant gegenüber anderen Lebensentwürfen zeigt. Louis Sarno ist in seiner alten Heimat zu einem Fremden geworden, der die „falsche Wirtschaft“ und den „Mangel an Leben“ beklagt. Fast scheint es, als treffe ihn der Kulturschock härter als seinen Sohn Samedie, der sich offensichtlich relativ schnell in der bunten Warenwelt mit ihren Oberflächenreizen und falschen Versprechungen zurechtfindet.