Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in der Psychiatrie kehrt der mittlerweile ehemalige Aushilfslehrer Pat Solitano in sein Elternhaus in Philadelphia zurück. Job weg, Haus weg und die Ehefrau Nikki ist auch in weiter Ferne: Kontaktverbot. Doch Pat ist guter Dinge: zwar wurde in der Psychiatrie eine bipolare Störung diagnostiziert, aber Pat ist gut in Form, verweigert die verordneten Medikamente und will sein altes Leben zurück.
Die Sache damals, als er einen Kollegen mit Nikki unter der Dusche beim Sex erwischte und halbtot prügelte – vergessen! Der Aufenthalt in der Psychiatrie zeitigt Wirkung, wenngleich sich Pat immer noch sehr darüber echauffieren kann, wie Hemingway die Liebesgeschichte von „In einem anderen Land“ an die Wand fährt – ohne jede Rücksicht auf die positiven Erwartungen seiner Leser! Dabei hat Pat doch in der Klinik gelernt, dass alles, was passiert, einen Sinn hat und dass man in allem möglichst das Gute sehen solle. Every cloud, habe, wie man so sagt, a silver lining. Oder?
Eines Abends lernt er zufällig die viel jüngere Tiffany kennen, die nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes, auch ein paar psychische Probleme hat. Ihre Depressionen bekämpfte sie mit wahllosem Sex am Arbeitsplatz, bis sie gefeuert wurde. Pat findet, dass Tiffany nicht alle Tassen im Schrank hat, was die nicht davon abhält, sich weiterhin für ihn zu interessieren. Vielleicht, weil sie sich in ihm wiedererkennt?
Man ahnt, was David O. Russell („Three Kings“, „The Fighter“) an der Romanvorlage von Matthew Quick interessiert haben könnte: Eine unkonventionelle Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen mit erheblichen psychischen Problemen, gestaltet in der Manier einer klassischen Screwball Comedy vor dem mit realistischem Anspruch gezeichnetem Milieu des US-amerikanischen Kleinbürgertums? Das wäre anspruchsvoll genug, doch Russell weitet den Blick noch erheblich, bis ein komplexes Familienpanorama voller Spiegelungen und Verdoppelungen etabliert ist: Familienaufstellung als Aufstellung dysfunktionaler Familien.
Der von Robert De Niro gespielte Vater Pats, der gleichfalls Pat heißt, ist auch so ein Choleriker, der sein Leben nur dank einiger Ticks im Griff hat. Wehe, wenn die TV-Fernbedienungen mal nicht ordentlich aufgereiht am richtigen Ort liegen! Als glühender Fan der Philadelphia Eagles hat er zwar Stadionverbot, kompensiert diese Schmach aber durch irrwitzige Sportwetten. Im Hintergrund beider Männer wirkt die Ehefrau und Mutter, welche Dolores (= Schmerzen) heißt. Weil Tiffany offenbar an Nikki vorbei muss, um zu Pat zu gelangen, schlägt sie ihm einen Handel vor: sie wird ihm den (Brief-)Kontakt zur Ex ermöglichen, wenn er sie im Gegenzug zu einem Tanzwettbewerb begleitet. Ausgerechnet! Tanz als Paar- oder Gruppentanz fungiert ja in Zeiten von Casting-Shows als sozialintegrative Disziplinierungsstrategie schlechthin – und Pat genießt sein den Alltag strukturierendes Training auch sichtlich.
Doch dann kommen Pat Senior und seine Sportwetten der Therapie noch einmal in die Quere – und plötzlich erzählt „Silver Linings“ so viele Geschichten von Familie, Neubeginn, alten Rechnungen, Liebe, Tanz, Disziplin und Sportwetten gleichzeitig, dass es einer koketten, aber entschlossenen Kumpanei mit den Genre-Spielregeln der »romantic comedy« bedarf, um die Vielzahl von Fäden wider alle Milieutreue und alle Vernunft zu ordnen.
Die radikale Unbekümmertheit, mit der Russell und sein erstklassiges Darsteller-Ensemble diese »unglaubliche« Rettungsstation ansteuern, beweist Mut und Liebe zum Kino. Zum ganz altmodischen Kino, versteht sich! Einem Kino, das um die Risiken des Realismus weiß und trotzdem realitätshaltige Geschichten erzählen möchte. Für ein Publikum, das Soap-gestählt ganz anders tickt. Ob das funktioniert, wird man sehen. Spätestens bei den „Oscars“, wo „Silver Linings Playbook“ als stiller Geheimtipp in den Ring steigt.