Der Bergarbeiter Schultze (Horst Krause) und zwei seiner Kollegen aus einem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt werden in den Vorruhestand entlassen. Außer Polkaspielen auf dem Akkordeon, Kneipe und Angeln bleibt dem anspruchslosen und ruhigen Junggesellen Schultze nicht mehr viel. Doch als er zufällig im Radio ein louisianisches Cajun-Stück hört, kommt neues Leben in ihn. Er wendet sich von der Polka ab, der Südstaatenmusik zu und sein Traum, doch einmal in die USA zu reisen, wird tatsächlich wahr.
Kugel mit Hut und Quetschkommode, das sind die Markenzeichen von Schultze – auch dass er keinen Vornamen hat, ist typisch für einen wie ihn: Schultze ist ein Original, ein „liebenswerter Kauz“, eine Type eben. Je weniger er spricht, desto mehr Type ist er, ganz wie die urigen Typen aus den lustigen Aki-Kaurismäki-Filmen – die je uriger sie wurden, manchmal umso peinlicher waren.
Ganz ähnlich wie in den ernsten Kaurismäki-Filmen ist die Situation: Das Land ist öd und leer und Arbeit gibt es nicht, nur das gezapfte Helle und die (typisch deutsche?) kleinkarierte Polka-Spießigkeit. Wären da nicht Menschen, die anderen Lebensmut machen: Die lebenslustige Rentnerin, die Schultze am hellichten Tage zu 10 Jahre altem Whiskey verführt (welcher Whiskey übrigens ist zehn Jahre alt? Ich kenne nur die Altersstufen 6, 12, 24 Jahre): „Nun trink doch mal, Schultze!“, die neue Kneipenbedienung, ein Rasseweib, dass against all odds eine heiße Sohle auf den Kneipentisch legt, und selbst der Doktor, der Schultze beruhigt: Südstaatenmusik zu lieben ist keine Krankheit.
Bald schon stellen wir fest: Das Gute ist außerhalb deutscher Grenzen und irgendwo innerhalb unserer Herzen, so wir uns unser Jungsein und unsere Neugier erhalten. Schultzes besondere Chance liegt gerade in seiner Schlichtheit, die ihn vor dem Bösen bewahrt. Dargereichtes Fazit für uns alle: Ein bisschen Schultze kann uns allen nicht schaden. Ein bisschen Abhaun auch nicht. Dann wird es schon alles irgendwie gehen. Und Arbeitslosigkeit ist so gut wie vergessen.
„Schultze gets the Blues“ ist auffallend ästhetisch gefilmt. Statische Bilder, die wunderbar durchkomponiert sind, stilsichere Farbkombinationen, vieles, was man ähnlich auch bei Jarmusch oder Kaurismäki gesehen hat. In den besten Augenblicken, und die sind eindeutig zu Beginn des Films, fallen Ästhetik und Inhalt zusammen und ergeben eine spröde melancholische Schönheit. Anhaltinische Einöde, bittere Heimat der Wortkargen. Hier stimmt zunächst alles: Zurückgenommene Landschaft und zurückgenommene Leute.
Auseinander fallen Form und Geschichte, wenn uns via Schultze Lebensfreude suggeriert wird, und als er in den USA ankommt, hat Schultze nicht nur Deutschland, sondern auch die Zuschauer verlassen. Seltsam fern bleibt ihm die Kamera, beeindruckt von den breiten amerikanischen Ansichten und ihren Möglichkeiten gerinnt der Film zu einer Fotoausstellung und er vergisst Schultze.
Aber wer war das eigentlich, Schultze? Und wie sieht er aus, der Schultze, den wir nur in uns selbst finden brauchen? Wie eine Kugel mit Hut und Quetschkommode eben. Wie der zu einer „Type“ zurechtgeschrumpfte Versuch, Wege aus einer ausweglosen Gegenwart aufzuzeigen, unheiteren Verhältnissen heitere Seiten abzuringen, wie ein falscher Versuch, weil er versucht, uns mit Unversöhnlichem zu versöhnen.