Man hat irgendwie kein gutes Gefühl, wenn man den selbstverständlichen, gepflegten Wohlstand der Ruheständler Anita (Senta Berger) und Fred (Bruno Ganz) sieht. Das Eigenheim mit großem Garten und Swimmingpool steht in privilegierter Wohnlage und ist mit teuren Möbeln und Bildern geschmackvoll eingerichtet; vor dem Haus sind zwei Autos geparkt. In der eingespielten Zweisamkeit des seit Jahrzehnten verheirateten Paares hat der Alltag eine Ordnung, sind die Aufgaben verteilt: Wenn sich Fred, ein distinguierter Ex-Firmenchef mit nicht näher genannter Profession, ins Büro verabschiedet, fängt die kulturinteressierte Anita an, zu gärtnern und erledigt Einkäufe. Dabei entdeckt sie zufällig, dass sich ihr Mann eine neue Wohnung gekauft hat. „Ich brauche einen Ort, wo ich nachdenken kann“, sagt Fred. Anita reagiert empört und fühlt sich verraten.
Die beiden Protagonisten in Sophie Heldmans Debütfilm „Satte Farben vor Schwarz“ sind Gefangene ihres geordneten Wohlstands. Das erzählen zumindest die vielen genau komponierten Bilder der dffb-Absolventin und ihrer Kamerafrau Christine A. Maier, deren Bildgestaltung die Figuren immer wieder rahmt und isoliert, sie durch Wände trennt, an den Bildrand drängt oder durch Fensterscheiben distanziert. Zugleich sind diese Bilder Ausdruck einer Sprachlosigkeit und eines Schweigens, das sich zwischen das miteinander vertraute Paar geschoben hat, seit Fred von seiner schweren Erkrankung an Prostatakrebs weiß. Plötzlich erscheint ihre Beziehung gestört („Wir haben uns verloren.“); und indem die Vergänglichkeit in den Blick rückt, erweisen sich die erhofften Möglichkeiten einer gemeinsamen Gestaltung des Alters als zeitlich begrenzt. Man habe zwar an das Ende gedacht, sagt Anita, aber nicht an das, was vor dem Ende komme.
Ein heftiges Sommergewitter, das den Garten aufwühlt und zerzaust, setzt diesbezüglich und vorläufig eine symbolische Zäsur. Konzentriert, ruhig und in Teilen elliptisch verdichtet, erzählt Sophie Heldman von einer gestörten, vielleicht unmöglichen Kommunikation. Vor allem in der Beziehung zu ihren erwachsenen Kindern Patrick (Barnaby Metschurat) und Karoline (Carina Wiese) sowie zu ihrer Enkelin Yvonne (Leonie Benesch) erweist sich die Sprachlosigkeit aber auch als ein durch unterschiedliche Lebensperspektiven bedingter Abstand zwischen den Generationen. Dabei erscheinen die Rücksichtnahmen der Eltern ebenso falsch wie die Kommunikationsangebote der Kinder hilflos. Von Todesgedanken umfangen und absorbiert, den Blick auf das Spiegelbild welkender Körper gerichtet, wächst die Einsamkeit um Fred und Anita, greifen Lethargie und Stillstand immer mehr um sich, von eher verkrampften Ausbrüchen unterbrochen.
Leiden und Angst sind in Sophie Heldmans Film jedoch keine mitteilsamen Größen, vielmehr dominiert vornehmes Schweigen, das durchaus als Verweigerung und Negation gemeint ist. Jenseits der konkreten, materiellen Existenz gibt es keinen Gegenpol, sondern allenfalls Behauptungen einer „Freiheit“ und einer „unendlichen Liebe“, die vom Drehbuch jedoch nicht vertieft werden. Als Höhepunkt von Sprachlosigkeit und Leere erscheint der Doppelselbstmord am Ende des Films durchaus konsequent; weniger hingegen als Idealisierung einer Selbstbestimmung, was die Regisseurin wohl intendiert hat, wenn sie im Presseheft über ihre Protagonisten schreibt: „Der Freitod ist für sie ein Mittel, um das Leben selbstbestimmt und ohne Leid zu beschließen.“ Leider fehlt diese Reflexion im Film. Und so passt dieses Statement entgegen seiner Absicht eher zu den Verdrängungen der eingangs beschriebenen Wohlstandswelt, die das Leiden gerne ausblenden würde.