„Liebe ist eine Fata Morgana“, heißt es in „Schwarzlicht“, dem neuen Buch des fiktiven, in Berlin lebenden Schriftstellers Lorenz Meran (Fabian Krüger). Seine Mutter Rosie (Sibylle Brunner) hört das, schon angetrunken, in einer Kultursendung des Fernsehens. Doch dann fällt sie plötzlich um. Und weil die alte Dame seit dem frühen Tod ihres Mannes allein in ihrem Haus im ostschweizerischen Altstätten lebt, wird sie erst am nächsten Morgen vom Briefträger gefunden, was wenig plausibel ist und auch nicht gezeigt wird. Jedenfalls eilen ihr Sohn, der homosexuell ist, und ihre Tochter Sophie (Judith Hofmann), die unter ihrer Ehe mit einem Polizisten leidet, zu ihrem Krankenbett. Doch die resolute, nie um ein Wort verlegene Titelheldin aus Marcel Gislers Film „Rosie“ macht schnell klar, dass sie möglichst bald zurück in ihr Eigenheim will. Nach ihrer Rekonvaleszenz beharrt sie eigensinnig auf ihrer Selbständigkeit und vereinsamt dabei zusehends, von Zigarettenrauch umwölkt und steigendem Alkoholkonsum benebelt.
Sein autobiographisch gefärbter Film sei eine Hommage an seine Mutter, schreibt Marcel Gisler im Presseheft. In seinem Heimatort Altstätten und in Schwyzerdütsch gedreht, habe diese als Vorbild für die Figur der Rosie gedient. Sehr einfühlsam und ausdrucksstark wird sie von der 1939 in Zürich geborenen Theaterschauspielerin Sibylle Brunner verkörpert, die dafür prompt mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet wurde. Vor allem in der Darstellung von Rosies zunehmendem Alkoholismus, der von Ausfällen und Abstürzen begleitet wird, aber auch in der schmerzlichen Konfrontation mit einer alten Schuld entfaltet Brunner ein nuanciertes Spiel. Daneben zeigt sie eine Rosie, die in ihren nüchternen, von wechselnden Komplizenschaften geprägten Szenen illusionslos, ironisch und schlagfertig ist.
Bald folgt auf den einen Sturz ein zweiter, auf den Schlaganfall auch noch ein Herzinfarkt. Die prekäre Versorgungssituation der alten, kranken Mutter verlangt von den Geschwistern immer dringlicher eine Betreuungslösung. Zugleich wird Lorenz bei seinen wiederholten Heimataufenthalten sowohl in der Begegnung mit dem jungen, seine Gefühle herausfordernden Mario (Sebastian Ledesma) als auch mit seiner Familiengeschichte in eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und seiner homosexuellen Identität gezwungen. In spiegelbildlichen Motiven, in Träumen und atmosphärischen Zeitsprüngen, die ein nachdenkliches Innehalten ermöglichen, entwickelt Gisler seine facettenreiche, teils schmerzliche Mutter-Sohn-Geschichte. Trotzdem findet er mit seiner Tragikomödie auch die Balance zwischen dem Schweren und dem Leichten, zwischen heiteren und ernsten Momenten.