In der Titelsequenz des Films ordnen sich auf Schreibmaschinenpapier fliegende Buchstaben zu animierten Mustern von Fortbewegungsmitteln, deren Geräuschkulisse auf der Tonspur großstädtischen Betrieb imaginieren lässt. Erst aus dem Off, dann frontal zum Zuschauer erzählt ein Mann seine Geschichte. Dass diese eigentlich ein Text ist, den er vorliest, ohne ins Buch zu schauen, erfahren wir kurz darauf durch eine Veränderung der Perspektive. Der aus Berlin angereiste Schriftsteller Max Zorn (Stellan Skarsgård) liest in einer New Yorker Bibliothek aus seinem neuen Werk „Jäger und Gejagte“. Darin geht es um eine verlorene Liebe, eine vertane Chance und die Unumkehrbarkeit versäumter Möglichkeiten. Volker Schlöndorff inszeniert diesen Beginn seines neuen Films „Rückkehr nach Montauk“ als doppelbödiges Spiel zwischen Wirklichkeit und Fiktion, (autobiographischer) Erinnerung und literarischer Erfindung.
Knapp eine Woche verbringt der merkwürdig farblose, offensichtlich unstete Autor für Lesungen in der geschäftigen Stadt am Big Apple. Begleitet wird er dabei von der jungen, hübschen und ihm gegenüber stets loyalen Presseagentin Lindsey (Isi Laborde). In einem Radiointerview charakterisiert sich Zorn etwas plakativ als ein Tier mit wechselnden Standpunkten. Doch das bleibt wie vieles andere in diesem Film eine verbale Behauptung. Dass er mit der um einige Jahre jüngeren, lebenshungrigen Clara (Susanne Wolff) zusammen ist, die in prekären Verhältnissen lebt, wovon Max wiederum nichts weiß, versteht man nicht richtig. Die Faszination für diesen charakterschwachen Mann teilt sich einfach nicht mit. Dass Max Zorn überdies sämtliche Vertraulichkeiten seines Privatlebens mit Lindsey teilt, ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern vor allem eine Strategie des Drehbuches, um das, was die Bilder nicht erzählen, als gesprochenen Text zu vermitteln.
Darin geht es vor allem um Max‘ Wiederbegegnung mit Rebecca (Nina Hoss), die inzwischen als erfolgreiche Anwältin arbeitet. Für ein langes, gemeinsames Wochenende in Montauk, am äußersten Ende von Long Island, vermischen sich noch einmal Literatur und Leben, Erinnerung und Gegenwart, als könnte die Geschichte, längst zur Fiktion geworden, noch einmal von vorne oder ganz anders beginnen. Doch unterschiedliche Erfahrungen und Lebenswege stehen zwischen den beiden.
Schlöndorff spiegelt diese Distanz zwischen dem einstigen Paar in den Räumen und der Transparenz eines leerstehenden Hauses und in den Strandbildern vor einem weiten Horizont, in die sich elegische Klänge aus Mahlers 5. Sinfonie mischen. „I want you“, singt an anderer Stelle Bob Dylan, bevor das Auto der beiden (auch symbolisch) kurz darauf im Sand einer Stranddüne stecken bleibt. Doch warum Max einst Rebecca verließ, die sehr viel farbiger und ironiebegabter als der Schriftsteller erscheint, bleibt so unklar, als wäre diese gewichtige Entscheidung der Laune eines Augenblicks geschuldet. Erst ganz am Ende, als alles längst zu spät ist, zeigt der sich selbst fremde Held in anderem Zusammenhang doch noch Charakter. Die Gründe dafür bleiben allerdings vage.