Die Abwesenheit von Menschen, die einsam gestorben sind, weil sie allein gelebt haben, hat sich den Dingen eingeprägt. In ihren teils verwahrlosten, teils mit nur wenigen Habseligkeiten bestückten Wohnungen fällt der Blick immer wieder auf Spuren, die eine nur kurz zurückliegende Anwesenheit behaupten: eine Kuhle im Kopfkissen, Tabletten auf dem Nachttisch, ein Brief. Mr. May (Eddie Marsan), „Funeral Officer“ in Diensten der Londoner Stadtverwaltung, kümmert sich um die Nachlässe dieser Verstorbenen und versucht, Angehörige ausfindig zu machen. Der akribisch genau und sehr gewissenhaft arbeitende Protagonist aus Uberto Pasolinis preisgekröntem Film „Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit“ („Still Life') ist gewissermaßen ein melancholischer Spurenleser und Rechercheur, der in seinen Bemühungen leider meist enttäuscht wird. Oft ist er bei den Trauerfeiern der einzige Gast, der dann auch noch dem Vortrag seiner von ihm selbst verfassten Trauerrede zuhört.
Denn Mr. May nimmt im Gegensatz zu seiner Umwelt Anteil am Schicksal dieser hoffnungslos einsam Verstorbenen und versucht dabei, ihre jeweilige Persönlichkeit zu imaginieren. Wenn er in seinem dunklen Kellerbüro wieder einmal eine Akte schließt, bewahrt er für sich selbst Fotografien dieser Menschen auf, die er nach Feierabend in ein Album einklebt, als zeigten sie Mitglieder einer weit verzweigten Familie. Denn auch Mr. May ist ein Einzelgänger, der in einer tristen, anonymen Sozialsiedlung lebt und sich schlecht ernährt. Das wird ihm umso schmerzlicher bewusst, als er eines Tages zu einem Todesfall in seiner unmittelbaren Nachbarschaft gerufen wird: Billy Stoke ist zugleich Mr. Mays letzter „Fall“. Während der nachdenkliche und steife Verwaltungsangestellte den Spuren des Eigenbrötlers und Draufgänger, Frauenlieblings und Trinkers folgt, entdeckt er selbst den Geschmack am Leben.
„Ich wollte keinen Film über den Tod machen, sondern einen über das Leben“, sagt Uberto Pasolini, der nach diversen Produzententätigkeiten seine zweite Regiearbeit in ruhigen, statischen Bildern inszeniert hat. In ihnen nisten Einsamkeit und Anonymität eines grauen, tristen Alltags, der sich freudlos in einem fort wiederholt. Lakonisch und stimmungsvoll zeigt Uberto Pasolini diesen nur scheinbar spannungslosen Trott seines Helden, der fast unmerklich Kontur, Farbe und Leben gewinnt; bis sich schließlich in einem ergreifenden Schlussbild die Toten versammeln, um Mr. May die letzte Ehre zu erweisen.