Diese Geschichte musste einfach erzählt werden! Warum? Nun ja, das wiederum scheint niemandem so richtig klar gewesen zu sein, weshalb der Film „The Monuments Men“ trotz größtem Star-Auftrieb (Clooney, Damon, Goodman, Murray, Blanchett, Dujardin) nie so recht Tritt fast, sondern mit jeder Szene neu zu entscheiden hat, was er denn nun sein will: eine Burleske, ein Bildungsfilm, eine Hommage, eine Kriegstragikomödie, ein Propagandafilm, ein Buddy-Movie oder ein Pastiche aus all dem, erzählt in der Manier eines klassischen Hollywoodfilms jener Zeit, als die Amerikaner noch Ideale hatten, für die sich einzutreten lohnte. Ungebrochen, stets und gern mit einem coolen Lächeln auf den Lippen, aber manchmal auch eine Terz sentimental. They died with their boots on.
Worum geht es? Zum Beispiel: die Welt retten, sie mit Waffengewalt vom Faschismus befreien, Nazis jagen. Oder: die kulturellen Artefakte, hier in der synchronisierten Fassung gerne auch „Errungenschaften“ genannt, davor bewahren, dabei a) vom Waffengang in Mitleidenschaft gezogen zu werden oder b) in die »falschen« Hände zu geraten. Natürlich dabei gerne rauchend, with a smile on their faces – und manchmal, in stillen Stunden, wenn es doch einmal Tote gegeben hat, danach fragend, ob es sich denn lohnt, für ein Kunstwerk sein Leben zu geben. Letztere Frage gibt den Kammerton des Films „The Monuments Men“, der neuen und ziemlich missglückten Regiearbeit von George Clooney, vor, wird immer mal wieder im Verlauf des Films gestellt und unmissverständlich beantwortet.
Die Geschichte, die erzählt werden musste, ist freilich schnell erzählt, zumal sich der Film selbst nicht über Gebühr für sie interessiert. Übrigens auch nicht für die Kunst, die hier bestenfalls als MacGuffin fungiert und die Geschichte in Trab hält. Deren Ausgangspunkt ist allerdings etwas frivol. Mitten im Zweiten Weltkrieg hält der Kunsthistoriker Frank Stokes (Clooney) dem US-Präsidenten Roosevelt einen Diavortrag über Kollateralschäden an der Kultur, die der moderne Krieg mit sich bringt. Man müsse schnell aktiv werden, damit nach dem Krieg noch etwas übrig sei, für das sich der Einsatz gelohnt habe. Es geht um Zerstörung historischer Kulturdenkmäler durch Bombardierung oder Kampfhandlungen, aber auch um Kunstraub seitens der kunstversessenen Nazis, die sich in ganz Europa die Exponate für ein gigantisches Führer-Museum in Linz zusammenrauben. Ethische und kulturpolitische Bedenken werden in schöne Sentenzen zum Mitschreiben verpackt: Wem gehört die Kunst? Den Menschen! Allen Menschen! Welche Funktion hat die Kunst? Sie sorgt für Identität und bleibende Erinnerung, ist gewissermaßen der Fels im Fluss der Zeit. Der Vortrag zeitigt Wirkung. Der Präsident kontert: ob er, Stokes, denn seinerseits bereit sei, diesen Job zu tun, schließlich seien die jungen Kollegen längst im Fronteinsatz. Klar ist er und die Rekrutierung seiner eigenwilligen Mitarbeiter fällt dann so aus, als hätten wir das Prequel des Films im Kino verpasst. Lauter ältere Herrschaften, die bei der ersten Begegnung so tun, als hätten sie bereits so manches Abenteuer gemeinsam bestanden. Überraschung. Grinsen. Spruch. „Lust, ein bisschen im Krieg mitzumischen?“ Eigentlich ist man ja längst zu alt für den Kriegseinsatz, zu übergewichtig oder überhaupt ein notorischer Alkoholiker mit schlechtem Leumund.
Die Rettung der Kunst eröffnet so gewissermaßen überraschend eine letzte Chance im Nachrückverfahren doch noch uniformiert seine patriotische Pflicht zu leisten. Nach der erfolgreichen Landung in der Normandie beginnt die Arbeit der Monuments Men, wobei das Verständnis der regulären Truppen für das Anliegen dieser seltsamen Typen sich pragmatisch in Grenzen hält. Obwohl der Film nur wenige Protagonisten hat, kommt er beim Erzählen der diversen Handlungsfäden ins Stocken. Es fallen auch schon mal ein paar Schüsse, aber der Krieg erscheint hier doch eher als mal lässige, mal absurde Sommerfrische, bei der sich Clooney & Co. ihre coolen One-Liner („Was tust du da?“ „Ich bin auf eine Landmine getreten.“ „Warum?“ „Was tut er da?“ „Er ist auf eine Landmine getreten.“ „Warum?“) um die Ohren hauen, während sie zielstrebig gen Osten ziehen: nach Paris, Brügge, Aachen, Siegen, Merkers, Heilbronn bis nach Altaussee in Österreich, immer auf der Suche nach zu rettender Kunst.
Damit sich der Zuschauer besser orientieren kann, werden hier nur die big names gehandelt: Picasso, Monet, Vermeer, Rembrandt, Michelangelo und der Genter Altar. Es ist ein Rennen gegen die Zeit, denn die Nazis klauen nicht nur für das geplante Führer-Museum, sondern gerne auch einmal für die eigenen vier Wände. Was auf dem eiligen Rückzug nicht mitgenommen werden kann, wird auch schon mal – Stichwort: Nero-Befehl Hitlers – vernichtet. Auf der anderen, allerdings dramaturgisch stark funktionalisierten Seite drängen von Osten auch noch die Russen heran, die sich für ihre Kriegsopfer Kunstwerke als Reparationen sichern. Klare Sache: von Sowjets ist keine Einsicht in das humanistische Erbe zu erwarten. So reiht sich munter und untermalt wohl von der grauenhaftesten, manipulativsten Filmmusik seit Dezennien (Alexandre Desplat) Anekdote an Anekdote: der Krieg weit weg, der Frontverlauf fluid, wenn Deutsche als Gegner auftauchen, sind es entweder irregeleitete Kinder oder sinistre, unverbesserliche Nazis, die dann allerdings recht mühelos zur Strecke gebracht und in Rededuellen symbolisch »ausgelöscht« werden können.
Spannend ist das Ganze nicht, aber ein paar Szenen bleiben in Erinnerung. Da ist der junge, traumatisierte deutsche Soldat, der eine Zigarette angeboten bekommt und schon mal unsicher eine Grundlage für die bilateralen Beziehungen für die Zukunft anbietet: „John Wayne?“ Das ist ein Angebot, jenseits der High Art, zumal der Film ja seinerseits längst „Red River“ und „Ich war eine männliche Kriegsbraut“ nachspielt. Mit Matt Damon als Montgomery Clift und Bill Murray und John Goodman als Walter Brennan. In Paris trifft Damon dann noch auf Cate Blanchett, die eine Kuratorin spielt, die mit den Nazis kollaborierte, aber auch mit der Résistance zusammenarbeitete, um der Kunst willen. Sie ist misstrauisch, dass die Amerikaner hier unter einem Vorwand Schauwerte für ihre eigenen Museen rekrutieren. Aber Damon findet die starke Geste, die Blanchet überzeugt. Er nimmt ein unbedeutendes Gemälde und hängt es in der leeren Wohnung einer deportierten jüdischen Familie dort auf, wo es vorher hing. Als memento mori. Der Holocaust kommt noch zweimal ins Spiel, einmal in Form einer Erinnerung an den jüdischen Großvater, der seinem Enkel nicht erklären wollte, warum Juden in Karlsruhe nicht mehr Rembrandt anschauen durften und dann noch in Form eines Fasses voller Zahngold, wo allerdings die Filmmusik dem Zuschauer dräuend erklären muss, was es damit auf sich hat, weil der Film selbst dafür keinen Ton findet und, ehrlich gesagt, auch keinen Platz hat.
Diese Kritik ist zuerst erschienen in: Konkret 3/2014