Monsieur Claude und seine Töchter

(F 2014; Regie: Philippe de Chauveron)

Du glückliches Frankreich, heirate!

Hochzeiten bieten Komödien einen großartigen Stoff, lassen sich um die aufgebauschten Feiern doch allerlei Streitereien, Intrigen und Skandale konstruieren, die entweder wie ein Damoklesschwert über der herannahenden Zeremonie schweben, oder, andersherum, denen quasi durch die herannahende Hochzeit als Damoklesschwert ein gewaltsames Ende angedroht wird. So oder so fordert die Hochzeit eine Lösung von Problemen, die durch die Konfrontation von Interessen, Klassen oder Begehren entstanden sind. „Monsieur Claude und seine Töchter“ konfrontiert Kulturen.

Das konservative, wohlhabende, in Chinon an der Loire lebende Ehepaar Claude und Marie Verneuil hat vier Töchter; drei dieser Töchter heiraten zu Beginn des Films allochthone Männer von unterschiedlicher Religion: einen Chinesen, einen Araber, einen sephardischen Juden. Dies missfällt Claude, der seine Töchter am liebsten in den Händen von katholischen, weißen, erfolgreichen Männern sehen würde. Aufgrund der rassistischen Vorurteile, die Claude bei einem Familientreffen in überheblich-chauvinistischer Manier vorträgt – brillant gespielt von Christian Clavier –, kommt es zu einem ersten Eklat, der die Spannungen in einer Familie offenlegt, in der die Männerwahl der jungen Generation wenn nicht als Zufall, so auch als unbewusster Protest gegen die väterlich-konservative Ordnung gelesen werden könnte. Doch sind es nicht nur die Vorurteile des Gaullisten Claude, sondern auch jene der Schwiegersöhne untereinander, die für allerlei Streit sorgen; selten werden politische Inkorrektheiten derart amüsant inszeniert.

Laure, die letzte unverheiratete Tochter, liebt mit Charles einen Schauspieler, der schwarz ist und von der Elfenbeinküste stammt. So haben auch die wundervoll peinlichen Versuche der verzweifelten Eltern, ihre Tochter mit einem Mann nach ihrem Bilde zu verkuppeln, keine Zukunft, und alles steuert auf eine Hochzeit zu, die vor allem deshalb Sprengstoff birgt, weil auch der Vater des Bräutigams von Ressentiments behaftet ist, die ihrer Art nach denen Claudes sehr ähnlich sind. Die solchermaßen prekäre Lage ruft auch noch einmal die Schwiegersöhne auf den Plan, welche sich in ihrem eigenen, hart erkämpften Status bedroht fühlen und eine gemeinsame Front errichten, die sich erstmals über die Familienbande definiert und jene Fremdheit ausgrenzt, die noch nicht deren Teil geworden ist. Auf der anderen Seiten beginnen sich die Fronten der Väter aufzulösen, wenn endlich das geschieht, was von vornherein angelegt war: wenn die Rassismen im Witz zum bloßen Gewand werden, das sich abstreifen lässt.

Angesichts des Wahlerfolges des rechtsrechten Front National in Frankreich kann dieser Film als der Versuch gelesen werden, den Franzosen schlicht „trotzdem vertragen wir uns am Ende alle“ zu sagen und damit dort zu beschwichtigen, wo eigentlich diskutiert werden sollte. Eine solche Lesart, meine ich, vergisst aber das Potential, das die Dialoge einer solchen Konstellation bereithalten: Hier werden Klischees und Gemeinheiten aufeinander losgelassen, über die gelacht werden kann, während sie in anderen Kontexten unsagbar oder grob verletzend wären. Gerade weil Komödien ihre Figuren nicht immer ernst nehmen müssen, lachen wir über und mit den Kulturen und beginnen so, uns über unsere eigenen Ressentiments und über den verletzten Stolz zu erheben.

Die Klischees und Gemeinheiten, die in den Ring geschickt werden, sind allerdings tatsächlich nicht viel mehr als solche; darin liegt auch ein Problem des Films: Die Komik bleibt im Ganzen etwas platt und die Handlung ist vorhersehbar. Zwar setzt der Film noch einige weitere Zeichen, die sich der französischen Wählerschaft einprägen mögen, etwa, wenn er die Schwiegersöhne Verneuils voller Pathos die Marseillaise singen lässt. Dass mit den so genannten „kulturellen Differenzen“ im öffentlichen Bewusstsein zuweilen nur weitaus komplexere Probleme verdeckt werden, das wird leider aber nur am Rande angedeutet.

Benotung des Films :

Lukas Schmutzer
Monsieur Claude und seine Töchter
(Qu'est-ce qu'on a fait au Bon Dieu?)
Frankreich 2014 - 97 min.
Regie: Philippe de Chauveron - Drehbuch: Philippe de Chauveron, Guy Laurent - Produktion: Romain Rojtman - Bildgestaltung: Vincent Mathias - Montage: Sandro Lavezzi - Musik: Marc Chouarain - Verleih: Neue Visionen - FSK: ohne Altersbeschränkung - Besetzung: Christian Clavier, Frédérique Bel, Emilie Caen, Medi Sadoun, Elodie Fontan, Elie Semoun, Yvonne Gradelet, Chantal Lauby, Frédéric Chau, Pascal N'Zonzi, Ary Abittan, Julia Piaton
Kinostart (D): 24.07.2014

DVD-Starttermin (D): 01.12.2014

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt2800240/