Aldous Snow ist eine amerikanische Phantasie vom britischen Rockstar: ein Knäuel aus Dandy, Partytier und Drama-Queen, gesegnet mit einem nasalen Zungenschlag, der in gleichem Maß Souveränität und Weggetretenheit markiert. Der gockelhafte Stadionrockgott in hautengen Lederhosen ist drogensüchtig und einsam, aber trotz aller Neigung zu Selbstzerstörung und -mitleid eben kein tragisch verglühender Hendrix-, Morrison- oder Joplin-Komet, sondern: good, clean dirty fun. („British motherfuckers never die“, wie ein sehr lebhafter P. Diddy hier einmal poetisch, wenn auch pophistorisch verkürzt anmerkt.)
Seinen ersten Auftritt absolvierte der spindeldürre Lead-Sänger der fiktionalen Band „Infant Sorrow“ 2008 in der von Comedy-Mogul Judd Apatow produzierten Beziehungskomödie „Forgetting Sarah Marshall“: Dort war Snow – dem der britische Komiker Russell Brand Manierismen und Garderobe leiht – Nebenbuhler des Helden: Als solcher durfte er sich, wie das im Planetensystem Apatow üblich ist, von der Karikatur zum Charakter entfalten, ohne seine Lächerlichkeit preiszugeben. Nicholas Stoller, Apatow-Schüler und Regisseur von „Forgetting Sarah Marshall“, hat Aldous Snow nun mit „Get Him to the Greek“ (zu deutsch: „Männertrip“) in das Zentrum einer eigenen Komödie gestellt – und dabei seine Signifikanz für den Apatow-Erzählkosmos entscheidend verschoben.
Statt den schrulligen Exoten am Bildrand zu geben, personifiziert Brand hier quasi in Reinform jenes hedonistische Es, mit dem Apatows Bubenkomödien stets kokettieren, um dann doch verantwortungsbewusst im Schoß mittelständischer Familienwerte zu landen. Für Aldous Snow gibt es, im Gegensatz zur „40-Year-Old Virgin“ Andy oder den Teenagern in „Superbad“, keinen Ausweg in monogame Zweisamkeit. Die Frage von „Männertrip“ lautet: Was passiert, wenn das Rockstar-Es eine Apatow-Komödie hijackt, und wo schlägt das biedere Über-Ich zurück? Die Versuchsanordung ist als Buddy-Reisedrama angelegt: Der Musiklabel-Mitarbeiter Aaron Green (Jonah Hill) soll Snow binnen 72 Stunden von London zu einem Comeback-Konzert nach Los Angeles bringen. Der Auftrag von Aarons Vorgesetztem Sergio (P. Diddy) ist widersprüchlich: Snow soll möglichst nüchtern durch seine PR-Boxenstops getrieben werden, wenn nötig gilt es ihn aber durch gemeinsame Ausschweifungen bei Laune halten. Und da das Drehbuch in einer tollpatschigen Geste vor Aarons Abreise schnell noch seine Freundin abserviert (aber sicherheitshalber nur so halb), darf er auch ohne moralische Krise Groupie-Sex haben.
Das Experiment verläuft, komödiantisch wie ideologisch, eher ernüchternd: Ohne die Spannung mit Moralcodes und Romantikformeln eines US-amerikanischen Mittelstands-Mainstreams verflacht der Bubenspaß aus Drogenkonsum und Bimbo-Sex zu übersteuerten Sketches. Aldous Snows Exzesse werden dabei zwar als gelebter Alltag anerkannt. Aber wenn gegen Ende deviantes Begehren in eine Paarbeziehung jenseits des Rockgötterhimmels einzusickern droht, dann zieht der Film die Notbremse. Und zwar so unvermittelt, dass man den Ruck spürt.
Die seltsame Unwucht von „Männertrip“ hat freilich noch andere Ursachen: Das Showbiz-Milieu bietet reichlich Gelegenheit für Gastauftritte (endlich Metallica-Drummer Lars Ulrich und Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman im selben Film!), entzieht den zahlreichen Popkultur-Scherzchen aber jeden alltagsnahen Resonanzraum. Und das gelassene Ensembleblödeln, das andere Apatow-Filme auszeichnete, kann sich in der gehetzten Countdown-Struktur kaum mehr entfalten. Nur wenn der Film nach Las Vegas reist, nicht erst seit „Knocked Up“ die US-Hauptstadt männlicher Sehnsucht wie Hysterie, findet der schrille Tonfall seine eigene Integrität: In einer Slapstick-Sequenz, an der Schauspieler-Altspatz Colm Meaney, ein Drogencocktail und eine mit Fell tapezierte Wand wesentlichen Anteil haben, macht der Film endlich ernst mit seiner Vulgarität. Für diese fünf Minuten schaut dann sogar Stollers klobige Mise-en-scène aus, als wäre sie Teil der Komik.