2007 kam Fatih Akin nach Camburnu; das Bergdorf am Schwarzen Meer war Heimat seiner Großeltern, hier drehte Akin für „Auf der anderen Seite“. Und musste am Drehort feststellen, wie ein Paradies zerstört wird. Seine Langzeitdokumentation „Müll im Garten Eden“ zeigt den vergeblichen Kampf der Einwohner gegen die autoritäre Obrigkeit, zeigt die verhallenden Aufschreie gegen eine umweltzerstörerische Mülldeponie.
Die Kamera fliegt über die Idylle, über sattgrüne Teeplantagen, heimelige Häuser, im Hintergrund das Meer – und schon gerät der überdimensionale Müllplatz in den Blick, ein höllischer Haufen Unrat. Der wurde von den Behörden dahingesetzt mit löblicher Absicht: Denn zuvor war es Brauch, Abfall ganz einfach im Meer zu entsorgen. Die Ausführung aber war und ist empörend, und mit filmischem Furor deckt Akin die Missstände Punkt für Punkt auf. Wie Gesetze und behördliche Bau- und Umweltverfügungen systematisch umgangen wurden (auch, weil sie vermutlich bewusst schwammig formuliert sind), wie jeder Protest der Bevölkerung schlicht übergangen wurde, wie der Bürgermeister, der sich über den Dienstweg beschwerte, mit Klagen überzogen wurde. Wie frühzeitige Warnungen ignoriert wurden und wie die vorhergesagten Probleme dann umso vehementer eintraten.
Schon in der Bauphase war die schwarze Plastikplane, die Boden und Grundwasser vor verseuchten Flüssigkeiten aus dem Müll schützen sollte, von den Baumaschinen zerstört worden. Problem? Nein, kein Problem. Kann man ausbessern. Was, wenn das Giftwasser über den Rand der Müllkippe schwappt? Auch kein Problem. Solange es nicht stark regnet. Wenn dann der örtliche Bach tot ist, wenn die Plantagen überschwemmt werden – es ist fast rührend naiv, wie der zuständige Ingenieur hilflos herumdruckst: Wer kann im Sommer schon mit einem so heftigen Gewitter rechnen? Es war ganz einfach Allahs Wille.
Hierzulande protestiert man gegen Bahnhöfe und Flughäfen. Im Osten der Türkei geht es um das Leben eines Dorfes, um das Überleben. Akin blickt auf den Müll, und darauf, was er mit dem Dorf macht, mit seinen Bewohnern, die protestieren, die resignieren, die wegziehen. Mit einer Landschaft, die mutwillig verseucht wird. Alles legitimiert durch eine Scheindemokratie, in der die Mitsprache der Bevölkerung reines Alibi ist, in der weggeschaut, weggehört und weitergemacht wird. Selbstherrlichkeit regiert.
Akin ist sozusagen der internationale Fürsprecher des Protestes, hat das Thema schon vor Jahren in die hiesigen Qualitätszeitungen gebracht, veröffentlicht nun diesen Film, in dem sich Wut gegen Willkür und Respekt vor der Zivilcourage begegnen. Was der Film vermissen lässt, ist eine packende Dramaturgie. Erratisch werden einzelne Phasen von Bau, Einwänden, Umweltkatastrophen abgehakt. Das ist szenisch, im Einzelnen spannend, in den Porträts einzelner Menschen, in der Kette der Rücksichtslosigkeiten und obrigkeitlichen Willkürlichkeiten. Im Ganzen aber hat der Film nicht die Kraft, die seinem Thema innewohnt.
Das Finale ist bezeichnend: Da bricht tatsächlich das Becken der ohnehin nur provisorischen und völlig unterdimensionierten Kläranlage: Außer geborstenem Beton, zwischen Teepflanzen rinnendem Müllwasser und einem toten Hund unter den Trümmern zeigt Akin davon nichts. Dabei wäre das das eine, große Bild für diese höllische Landschaftszerstörung, auf die der ganze Film hinauslaufen könnte.