Ein Starfilm. Götz George als der Jude Schlomo. Im Obdachlosenasyl Wien 1909/10 nimmt er sich voller Liebe eines verwirrten jungen Mannes an: „Ich liebe ihn, er ist so jung“. Trotz der Tipps des älteren Freundes misslingt die Aufnahme in die Kunstakademie. Was nun? Schlomo: „Du bist ein mieser Schauspieler. Du musst in die Politik gehen.“ Adolf Hitler (Tom Schilling): “Ich will die ganze Welt und England mit seinen Tunten.“ Schlomo schenkt ihm den Titel des Buchs, an dem er schreibt: „Mein Kampf“. Dann geht’s auf Judenjagd. Mit ein paar Fieslingen schießt Adolf auf Judenratten, aber 1910 fertigt er schon eine schöne Skizze vom Arbeit-macht-frei-Tor in Auschwitz an.
Hatte ihn noch grad zuvor sein Wohltäter vorm dramatischen Selbstmord gerettet (Sprung von einer malerischen Hochbrücke), bringt er nun den liebenden Schlomo in den Knast und andere Respektspersonen gleich mit („Ich zeig dich an, du mit deinen Knaben“). Selbst Schlomos Gretchen (Anna Unterberger), die freigiebig zu zeigen der Film nicht müde gewesen war, hat der undankbare Adolf umgedreht. Rassenschande? Mit ihr nicht.
Plot wiedererkannt? Nein? George Tabori ists! Sein Bühnenstück “Mein Kampf“ (immer wieder inszeniert, Anfang 2011 in Frankfurt am Main). Filmproduzent Martin Lehwald gönnerhaft: „Fünfzig Prozent des Originaltextes haben es ins Drehbuch geschafft. Dabei hat die in ihrer Zeit zu bewertende Anarchie der Vorlage gelitten, aber dafür rückten wir der Suggestion näher: Hitlers junge Jahre in Wien hätten so gewesen sein können.“ – Korrekt! Taboris „Anarchie“ wäre allerdings besser mit Groteske und jüdischem Witz zu benennen gewesen. Und genau das hat der Film plattgemacht, denn für diese schillernde jüdische Unart haben Deutschsprechende kein Verständnis. Hitler, der bei Tabori eine Entwicklung durchmacht, ist im Film genmäßig von vornherein böse. Darunter leidet die Plausibilität des Filmstars Götz George. Hallo, was ist denn das jetzt für ein Ding mit dem Jüngelchen Adolf?? Psychologie hatte bei Tabori kaum eine Rolle gespielt. Es ging um Wortwitz und Groteske im Schlafraum des Asylheims. Der Film aber scheut keinen Aufwand, eine witzlose und einfältige Geschichte im realistischen Outdoorlook zu erzählen. Museumseisenbahn. Museumsautos. Mode der zehner Jahre des vorigen Jahrhunderts. Hüte. Hüte. Hüte. Landschaft, Städte (Zittau), Fassaden, die eine oder andere touristisch interessierende Sehenswürdigkeit. Dazu mal aufbrausende, mal entspannende Musik. Klarer Fall von Quotentauglichkeit. Das deutsche, österreichische und schweizer Fernsehen hatten die redaktionelle Oberhoheit.
„Mein Kampf“, der Film, ist die entjudete Fassung von Taboris Theaterstück. Junghitler-Darsteller Tom Schilling fand das vor zwei Jahren auf der Premiere des Films in Graz nicht so prickelnd: „Ich habe eine andere Tonalität gesehen. Was bei Tabori die Groteske ist und die Überhöhung und die Skurrilität und auch teilweise Albernheit, die hat der Film nicht. Ich finde es teilweise schade, dass genau diese Elemente fehlen.“ – Und damit hat Hitler doch recht gehabt.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 03/2011