Ein langer Blick in einem Pariser Café setzt die Amour fou zwischen Hanna (Alice Dwyer) und Yann (Sabin Tambrea) in Gang. Zugleich überführt er die zunächst subjektive Perspektive des Zuschauers in eine objektive, die allerdings vorläufig bleibt. Denn Adrina Mračnikar inszeniert in ihrem eindrucksvollen Debütfilm „Ma folie“ mit zunehmender Intensität ein ebenso komplexes wie irritierendes Spiel mit der Wahrnehmung. Obwohl Setting und Handlung stets „realistisch“ bleiben, wird die „Wirklichkeit“ unsicher. Zwischen Wahrheit und Lüge, Einbildung und Realität bekommt das Leben Risse, droht es zu entgleiten.
Zurück in Wien erreichen Hanna, die als Psychotherapeutin mit traumatisierten Kindern arbeitet, nämlich Videobotschaften von Yann, sogenannte „Lettres filmée“, in denen sich Spielfilmschnipsel, Found footage-Material aus dem Internet und private Handyaufnahmen mischen. Diese unterlegt der verliebte Absender mit merkwürdig tragisch klingenden Sehnsuchtssätzen: „Ich übe, ohne dich zu sein.“ Und: „Du bist alles, was ich immer wollte.“ Mit diesem leicht bedrohlich wirkenden Ausschließlichkeitspathos zieht Yann bald darauf zu Hanna nach Wien, wo sich zwischen den beiden eine leidenschaftliche Liebe entspinnt. Deren Verrücktheiten führen jedoch auch zu Verrückungen des Alltags, zu Nachlässigkeiten und Versäumnissen. Vor allem aber reagiert Yann auf Hannas früheren, langjährigen Freund Goran (Oliver Rosskopf) mit unerwartet heftiger Eifersucht. Dabei zeigt er sich dominant und auf zunehmend verstörende Weise unberechenbar, bis es schließlich zum Bruch zwischen den beiden kommt.
Adrina Mračnikar verwandelt in der Folge ihren Liebesfilm konsequent in einen spannenden Psychothriller, der das Vertrauen der Heldin ins vorgeblich Tatsächliche, schließlich aber auch in sich selbst nachhaltig erschüttert. Schleicht sich der Horror zunächst noch durch Yanns zunehmend gewalttätiger aussehende Videobriefe in ihren Alltag, muss Hanna bald darauf erkennen, dass sie von ihm wie von einem dunklen Schatten „gestalkt“ und überwacht wird. Überlagert und gespiegelt findet sich diese latente Bedrohung, auf die Hanna mit Angst und Panik reagiert, durch Konflikte am Arbeitsplatz. Im dichten Gewebe aus unheilvollen Zeichen und Alpträumen, Schuldgefühlen und Stress, Selbst- und Fremdwahrnehmung werden Hannas Gewissheiten (und die der Zuschauer) empfindlich erschüttert. Die Wirklichkeit selbst scheint sich in Manipulationen und Täuschungen zu verlieren. Das Bild von ihr wird zu einer Frage der (filmischen) Perspektive, der psychischen Verfassung oder auch der Materialität des Aufnahmeträgers.