Woher kommt die künstlerische Inspiration? Jenes ungewisse, unkontrollierbare Gut, dessen unwägbares Geheimnis einer göttlichen Gunst zu entspringen scheint und dessen schöpferische Setzung sich dem Kairos verdankt. Dass künstlerische Eingebung nicht nur nicht erzwingbar ist, sondern auch höchst zerbrechlich, hat die Genies aller Zeiten immer wieder an seelische Abgründe geführt oder in die Verzweiflung gestürzt. Die Angst vor dem Verlust der Inspiration steht deshalb auch am Anfang von Bill Pohlands hervorragendem Film „Love & Mercy“, einem eher untypischen Biopic über Brian Wilson, den genialen Komponisten und insofern musikalischen Kopf der Beach Boys. Konzentriert auf zwei wesentliche Lebensabschnitte, verbindet der Regisseur sehr eindringlich Wilsons künstlerische Kämpfe auf dem Höhepunkt seiner Karriere mit seinen menschlichen Dramen.
Die großen Erfolge der umschwärmten Band zu Beginn der sechziger Jahre, in bunten, körnigen Bildern und einem dynamischen, quasidokumentarischen Handkamerastil aufgenommen, werden insofern nur kursorisch abgehandelt. Stärkeres Gewicht erhält hingegen Brian Wilsons (Paul Dano) künstlerische Abnabelung vom beliebten „Surfsound“, die er gegen seinen autoritären Vater und die Widerstände innerhalb der Band vollzieht und die 1966 schließlich zur Veröffentlichung des Meisterwerks „Pet Sounds“ führt. Auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft, die er in langen Studio-Sessions mit einer Gruppe von Profimusikern kreativ auslebt, wird er allerdings, zunehmend isoliert und unverstanden, immer stärker von seinen inneren Dämonen heimgesucht. Das Genie hört Stimmen, wird wunderlich und sagt nach seinem ersten LSD-Trip, er habe Gott gesehen, der ihm die Zukunft gezeigt habe.
Die Traurigkeit, die dabei in seiner Stimme liegt, hat ihn zwanzig Jahre später im Klammergriff. Der psychisch zerrüttete Wilson (John Cusack), von Drogen gezeichnet und vom Unfalltod eines Bruders Dennis traumatisiert, lebt jetzt wie ein Gefangener in der zweifelhaften Obhut des ebenso zwielichtigen wie tyrannischen Psychiaters Eugene Landy (Paul Giamatti). Dieser scheint selbst wahnhaft zu agieren, indem er seinen labilen, von ihm abhängigen Patienten einer totalen Kontrolle unterwirft und dabei finanziell ausbeutet. In dieser Phase lernt Wilson die einfühlsame Autoverkäuferin Melinda Ledbetter (Elizabeth Banks) kennen, die dem verschreckten, ängstlichen Künstler neuen Lebensmut schenkt.
Bill Pohland verknüpft in seinem ebenso kenntnisreichen wie ausgefeilten Film die Hoffnungen und Kämpfe der bald in eine schwierige Liebesgeschichte verstrickten Protagonisten mit Wilsons künstlerischem Selbstbehauptungswillen Mitte der sechziger Jahre. Dafür wechselt er mit Hilfe einer genauen Montage immer wieder die Zeitebenen und schafft so Entsprechungen und Korrespondenzen. Darüber hinaus gewähren persönliche Erinnerungen seines Helden immer wieder tiefe Einblicke in dessen von konfliktreichen Familienbeziehungen geprägtes Seelenleben, das schließlich auch in seinen Songs Ausdruck findet. Getragen und abgerundet wird der sehr sehenswerte Film nicht zuletzt von dem meisterlichen Spiel eines großartigen Schauspielerensembles.