In einer Parallelwelt, in der die Menschheit nie die Fähigkeit zu lügen erlernt hat, vertrödelt der Drehbuchautor Mark Bellison (Ricky Gervais) sein ereignisloses Leben. Als Mark sich in die unnahbare Anna (Jennifer Garner) verliebt und von seinem Arbeitgeber gefeuert wird, vollbringt er das Unmögliche: Er lügt. Rasch verschafft ihm seine neue Begabung Reichtum, ungeahnten Erfolg bei den Frauen und ein berufliches Alleinstellungsmerkmal, das ihn zum besten Drehbuchautor der Welt macht. Als er obendrein zum Religionsstifter wird, gerät Marks Leben endgültig aus den Fugen.
Wie sähe eine Welt aus, in der das Lügen gänzlich unbekannt ist? Im Großen und Ganzen kaum anders als unsere heutige Welt. Das zumindest behaupten Ricky Gervais („The Office“) und Matthew Robinson in ihrer gemeinsam inszenierten Fantasykomödie „The Invention of Lying” („Lügen macht erfinderisch“). Der wesentliche Unterschied: Der Umgangston ist deutlich rauer. Da ist es an der Tagesordnung, dass wildfremde Menschen dem Protagonisten unverlangt mitteilen, er sei fett und unsympathisch oder er selbst einem suizidalen Bekannten zum Selbstmord als einzigem Ausweg aus seiner Misere rät. Und noch etwas ist anders in dieser Welt: Ohne die Lüge gibt es keine Fiktion. So existiert das Kino einzig in der Form dröger Geschichtslektionen, die statisch abgefilmt von oberlehrerhaften Dozenten vorgetragen werden. Und Mark hat das Pech, ausgerechnet die Pestjahre des dunklen Mittelalters adaptieren zu müssen.
Mit skurrilen Ideen und voller selbstreflexiver und antiillusorischer Verweise auf die Film- und Fernsehindustrie eröffnet das Regisseursgespann Ricky Gervais und Matthew Robinson ihre sarkastische Fiktion. Doch leider stagniert die Komödie nach dieser fulminanten Exposition. Es gelingt den beiden Regiedebütanten nicht, ihre teils sehr amüsanten Einzelepisoden zu einer wirklich originellen und kohärenten Geschichte zu verbinden. Ein Regisseur wie Michel Gondry hätte die Ausgangsidee wohl genutzt, um eine verschrobene Welt mit den ihr eigenen Spielregeln zu erschaffen. „Lügen macht erfinderisch“ dagegen entwickelt sich bald zur vorhersehbaren romantischen Komödie, in der die Verkupplung des von Ricky Gervais und Jennifer Garner gespielten Paars den Dreh- und Angelpunkt des Plots bildet.
Überraschend bleiben allenfalls einige an Monty Pythons „Life of Brian“ („Das Leben des Brian“; 1979) geschulte absurd-subversive Tiefschläge gegen die monotheistischen Religionen. Daneben bietet „Lügen macht erfinderisch“ amüsante Gastauftritte von Schauspielerkollegen wie Rob Lowe, Philip Seymour Hoffman und Edward Norton, die sich, in der Maske teils bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet, zum Affen machen. Als weitgehend anspruchsloser Spaß bleibt die Komödie jedoch deutlich hinter ihrer fast philosophischen Prämisse zurück.
Diese Kritik ist zuerst erschienen auf www.br.de