Affengeil, das war einmal. Alle bisherigen King Kong-Filme Hollywoods ließen den titelgebenden Primaten nicht nur New Yorker Türme besteigen (1976 das World Trade Center, ja, genau jenes; 1933 und 2005 das Empire State Building), sondern spielten dem Gorilla auch jeweils ein Girl in die Hände. Vor zwölf Jahren bettete Peter Jacksons bombastische Dreistunden-Version deren interspezielle Erotik in Revuen obszönen Fleisches ein.
Im neuen Kong-Film gibts nun statt Fleisch Fell, und zwar viel – Kong ist höher und aufrechter als zuletzt, weiterhin fliegenumflort, aber immer grumpy und im Dienst, kein Mann für Flirt oder Fun. Und es gibt in ‚Kong: Skull Island‘ (der Film spielt nur ebendort) viel Knochen, an diversen imposanten Nebenmonstern, sowie als ein veritables Affenskelett-Ambiente, in dem eine der furiosen Actionszenen abläuft.
Regienewcomer Jordan Vogt-Roberts macht alles recht gut (und ab und zu sogar etwas ‚groß‘). Nix ist hier geil oder grauslich, alles eher pittoresk denn grotesk, flott erzählt ohne viel Buildup, mit Rot im Bild, Rock im Score, Rhythmus in der Animation, sowie mit Freude an dem multiethnischen Typenensemble, das in parallelen Erzählsträngen durch die Insel irrt: Militär, Öko-Freaks, Wissenschaftler, ein Abenteurer, Brie Larson als Fotografin. Sie darf Kong kurz ans Fell fassen.
Der Film hat keine ‚Vision‘: Sein Kong ist keine Sozial- oder (wie in Jacksons Film-im-Film-Barock) Kino-Allegorie. Zwar wird hier viel durch Foto- und Schmalfilmkamera-Objektive geguckt, doch das ist – wir schreiben 1973 – Teil eines Spiels mit heute hipper Retrotechnik für daheim (Schallplatte!) und Teil eines ortsversetzten Vietnamkriegsfilms: Bildermachen ist besser als Ballern, die Kamera cooler als die Knarre, das scheint der Film – auch im Plot mit John C. Reilly als Air Force-Pilot, der seit 1944 auf der Insel festsitzt – uns sagen zu wollen, und dass Krieg irgendwie irr ist (und die Erde nicht der vernichtungsfreudigen Spezies gehört). Apocalypse Now‚ lässt laut grüßen: Da ist Pyropanorama, Helicopterballett vor glühender Sonne, ein redseliger Freak unter Stammesvolk und vor allem ein an Colonel Kilgore erinnernder Kommandant, der väterlich, aber gaga ist: Er will Napalm am Abend und Rache am Affen. Samuel L. Jackson spielt ihn stark, wechselt böse, in extremer Großaufnahme zornig glühende Blicke mit Kong.
Diese forcierte Parallelisierung zwischen dem Affen und einer der menschlichen Figuren, konkret: einem African American als Ahab-Avatar, tritt hier an die Stelle der erotischen heterosexuellen Bindung des Monsters. (Wird Kong zum ‚weißen Wal‘, dann fällt die ‚weiße Frau‘ weg.) Dazu passt, dass der Film zwar zwei wutschnaubende, allzu gewaltaffine, aber fürsorgliche, sprich: zutiefst ambivalente Alphamännchen gleichen Ranges hat, aber auffallenderweise keinen designierten King. ‚Kong: Skull Island‘ ist der erste King Kong-Film, der das monarchische Attribut im Titel weglässt. (Dafür heißt die Cold War-Forschungseinrichtung, die sich auf die Suche nach Riesenwesen macht, Monarch.) Sollte dies das frühe Beispiel eines Fast-schon-Trump-Ära-Blockbusters sein, der noch kein eindeutiges bzw. der ein zutiefst zwiespältiges und von ihrer symbolischen Implementierung getrenntes Bild einer männlich (aber nicht königlich) verkörperten souveränen Macht zeichnet? (Dazu würde passen, dass hier ein kriegsverliebter Führer denunziert, das Militär in seinen Solidaritäts-, Bubenpathos- und melting pot-Ritualen jedoch nicht angetastet wird, sondern als eine Art Kontunitätsgarant fungiert. Und: Der vergessene pazifische Stamm, dessen angebeteter Schutzherr Kong hier ist, tritt auf Skull Island als ostentativ weiß (körperbemalt) auf, übrigens auch als beinah philosophisch stumm – im Unterschied zu Jacksons Film, der in den Stammes-Szenen rassistische Klischees von der wilden Dämonie dunkler Kontinente in düsteren Bildern voller Gebrüll und Zaubersprüche ebenso ausgestellt wie bloßgestellt hatte.) (Obwohl: Trumps Klientel mag vorwiegend weiß sein, stumm ist sie nur in ihrem Selbstbild als silent majority.) (Außerdem: Soviel Fell wie Kong hätte Trump gerne.)
Gegen Ende des Films, wenn die Überlebenden abziehen, erklingt unvermittelt die alte Ballade ‚We´ll Meet Again‘. Das ist doppelt schamlos. Zum einen ‚gehört‘ dieses Lied dem Abspann von Stanley Kubricks ‚Dr. Strangelove‘ (auch das ein Film, der die Verknüpfung von Kriegstechnologie und irrer Männlichkeit groß ins Bild brachte). Wer das zitiert, hat viel vor. Zum Beispiel – wenn schon der King nicht zum Kong kommt – Ping Pong spielen mit einem anderen (noch besseren) Monster Movie-Reboot, dem Godzilla‚ von 2014, der ebenfalls in seinem Bild soldatischen Handelns ambivalent war – amerikanischer Krieg ist halb Rausch, halb Rettung – und der dabei ebenfalls auf ‚Kubrick-Musik‘ zurückgriff: Das Thema ‚Requiem‘ von György Ligeti, das seit Dekaden mit den Erscheinungen des schwarzen Monolithen in ‚2001 – A Space Odyssey‘ assoziiert ist, untermalte bei ‚Godzilla‘ die tolle Fallschirmsprungszene und den Trailer. (Übrigens: ‚Godzilla‘ hatte eine ‚Vision‘, nämlich das durchgängige handlungsethische Motiv der Absence, des Blackouts, des Ohnmachts-Anfalls, Ton-Ausfalls und in Staub aufgelösten Bildes.) (Und der Vorgängerfilm seines Regisseurs Gareth Edwards, Monsters‚, war die bessere antikoloniale, antirassistische ‚Apocalypse Now‘-Variation.)
Schamlos ist das ‚We´ll Meet Again‘ zum anderen auch deshalb, weil es so direkt, mit dem Affenarsch ins Gesicht, darauf hinweist, dass wir hier dem Auftakt eines Franchise-Stranges beigewohnt haben. Eh klar. Wer bis nach dem Ende des Abspanns sitzenbleibt, wird nicht nur sehr direkt auf ebendiesen Umstand hin angesprochen, sondern erfährt auch, dass er oder sie noch diverse Franchise-Fusionen zwischen Kong und besagtem 2014er Godzilla und seiner Gang aussitzen wird dürfen. Geht OK, Kong: So long!