Es gibt noch immer kein richtiges Leben im falschen – was aber 'falsch' und was 'richtig' sein könnte, das ist in 'Knight of Cups' so offen wie in wohl keinem der zwei vorangegangenen Filme von Terrence Malick. Mit diesem schließt Malick 'The Tree of Life' und To the Wonder' zu einer, wie es scheint, Trilogie über Gelingen und Scheitern eines authentischen Weltbezugs zusammen. Wurden in The Tree of Life' noch die großen Fragen nach der individuellen Entfaltungsmöglichkeit in einer dualistisch zwischen 'Natur' und 'Gnade' aufgeteilten Lebenswelt gestellt, so war 'To the Wonder' eher ein Film unterschiedlicher Übersetzungs- und Übertragungsprobleme in der gemeinsamen 'Begriffsarbeit' eines Paares: Liebe, Sehnsucht, Heimat oder Freiheit – kaum etwas scheint in diesem Film sagbar in einer für den anderen durchsichtigen Sprache. Umso heftiger wanden sich die Leiber, streckten die Liebenden die Hände aus nach dem, was sie sprachlich nicht fassen konnten.
'Knight of Cups' nun zieht seinen äußeren Rahmen, das also, was man konventionellerweise eine 'Handlung' nennen könnte, noch einmal enger. Man hat es beinahe mit einem Selbstgespräch zu tun, so engmaschig bleibt die Kamera Christian Bale immerfort auf den Fersen, der als Hollywoodschauspieler Rick in einer Sinnkrise steckt. Wie immer beim Malick der letzten drei Filme hat man es hier mit einem regelrechten Anschlag gesamtkunstwerklich-ästhetischer Art zu tun: Die Bilderströme des großartigen Kameramanns Emmanuel Lubezki fluten die Leinwand und werden zu gewaltigen Meeren der entlegensten Assoziationen montiert, die Musik spielt prominent (aber weniger dröhnend als zuletzt) und Voice-Over verschiedener Beteiligter (von 'Figuren' kann man nicht immer guten Gewissens sprechen) kommentieren und ergänzen.
Zentren des Films sind in alledem neben dem herumirrenden Rick vor allem zwei Metropolen des Scheins: Los Angeles und – in geringerem Ausmaß, aber dafür doppelt wild – Las Vegas. 'Zentrum' heißt hier nicht nur so etwas wie Austragungsort. Denn so sehr alles an Rick zu kleben scheint, so erstaunlich ist doch, wie wenig 'Subjekt' hier überhaupt statthat. Rick, ebenso wie seine Freunde und Gespielinnen, sein Bruder und Vater, mit denen er zuweilen schwere Konflikte austrägt, wirken wie flüchtige Erscheinungen, unverfasste Materialisierungen in einer unverfassten Welt. Dabei ist schönerweise nie gänzlich klar, was hier eigentlich das Problem ist: Sind es die vielen nackten Hollywood-Schönheiten, die Rick in teuren Hotelzimmern den Champagner über den Kopf gießen – oder ist es doch eher die Aufforderung zur Leidensannahme, die Armin Mueller-Stahl als Priester im Licht strahlender Kirchenfenster vor sich herbetet? Man wäre jedenfalls leichtfertig verführt, glaubte man, Malick behaupte hier standfest noch immer die Zugänglichkeit eines Anderen, Unverfälschten oder Höheren hinter all dem schnöden Abglanz. Wenn es das überhaupt gibt, so scheint er vielmehr zu sagen, dann führt der Weg dorthin einzig und allein just durch die Wand – mit dem Kopf voran zwar, aber vor allem mit offenen Augen.
Es ist somit ein Film der unzähligen Angebote, Deutungs-, Sinn- und Spieloptionen geworden, keineswegs einer der fertigen Verlautbarungen. Vielleicht ist auch deshalb die unverhohlene Lust am Zeigen hier so völlig maß- und im besten Sinne differenzierungslos, seien es nun Frauenhintern in engen Höschen, spielende Kinder, die Wunden der Obdachlosen oder das betonverwucherte Gesicht von Los Angeles, das mit mindestens derselben Liebe gefilmt ist wie die wüstenartige Natur drumherum. Sinnsuche, das buchstabiert 'Knight of Cups' wie kein Malick-Film zuvor, bedeutet auch immer wieder das In-Kauf-Nehmen von Sinnzerstäubung, Sinn-Aufschub. So wird der Strand, der am Ende von 'The Tree of Life' die Toten in der leiblichen Auferstehung final zusammenführte, hier in einer Szene wieder von den Lebenden erobert. Sie baden, sonnen sich und schwimmen hinaus.
Dieser Text ist zuerst anlässlich der Berlinale 2015 in der filmgazette erschienen.
Hier gibt es eine weitere Kritik zu 'Knight of Cups'.