Das Stärkste an diesem Film ist sein Anfang: In einer langen Plansequenz folgt die Kamera einem Mann namens Ludo (Jean Dujardin) durch die stickige Enge einer lauten, von ausgelassener Stimmung und drogenseligen Partypeople erfüllten Diskothek hinaus in die frische, kühle Nachtluft eines dämmernden Morgens, an dem Ludo, ein überschwänglicher, leidenschaftlicher Typ, kurz darauf auf seinem Motorroller lebensgefährlich verunglückt. Es ist dieser jähe Kontrast zwischen Euphorie und Trauer, der in den schockstarren Augen seiner Freunde nachwirkt, die sich am nächsten Tag an Ludos Krankenbett versammeln. Die Zerbrechlichkeit des Lebens sowie der Umgang damit unter Freunden steht also am Beginn von Guillaume Canets Tragikomödie „Kleine wahre Lügen“ (Les petits mouchoirs), seinem nach eigener Auskunft bislang persönlichsten Film, der in seinem Herkunftsland Frankreich zum Publikumserfolg avancierte.
Die bunt zusammengewürfelte Clique entscheidet sich mit halb schlechtem Gewissen zunächst für die gemäßigte Verdrängung und beschließt, die gemeinsamen, schon zur Tradition gewordenen Ferien in einem Strandhaus am Cap Ferret auf zwei Wochen zu verkürzen. Doch schon diese Prämisse, die aus einer Freundesclique eine Art Ersatzfamilie konstruiert, wirkt leicht aufgesetzt. Am traumhaft schönen Ferienort an der südwestfranzösischen Atlantikküste angekommen, den Canet in ekstatischen Bildern filmt, setzt die raum-zeitliche Verdichtung der Gruppenbeziehung erwartungsgemäß dynamische Prozesse in Gang. Flankiert vom Sound der sechziger Jahre, wird in ihnen das Unausgesprochene virulent, führen Geständnisse und Streitereien zu Verletzungen, verlieren Gesten ihre Unmittelbarkeit und Unschuld.
Vor allem in der Beziehung zwischen dem ebenso reichen Restaurantbesitzer wie pedantischen Gastgeber Max Cantara (François Cluzet) und dem unglücklich verheirateten Chiropraktiker Vincent Ribaud (Benoît Magimel) wird das offensichtlich, als nach fünfzehn Jahren Freundschaft der eine dem anderen seine Liebe gesteht. Das Tabu wirkt so stark, dass es den ob dieser Eröffnung aufgewühlten, gar geschockten Max in Dauerstress und erhöhte Reizbarkeit versetzt. Das Gefühlsdilemma wird im Weiteren jedoch kaum entwickelt, sondern in einer Reihe teils komischer, teils dramatischer Begebenheiten perpetuiert.
Auch die vom Titel evozierten Lebenslügen der Generation Mitte Dreißig erschöpfen sich weitgehend in kleinen und großen Liebesdramen und unbewältigtem Liebeskummer. Vor allem die sensible Ethnologin Marie (Marion Cotillard) und der schauspielernde Frauenheld Éric (Gilles Lellouche) schaffen es diesbezüglich nicht, eine feste Bindung einzugehen. Sie haben, wie es einmal heißt, „kein Vertrauen in die Liebe“. Dass schließlich erst im gemeinsam erfahrenen Unglück Selbsterkenntnis reift und Versöhnung möglich wird, ist vor allem dem übersteigerten Pathos dieses mit freundlich-plakativem Witz und triefender Sentimentalität unterhaltenden Ensemblefilms geschuldet, weniger seinem Anspruch auf Wahrhaftigkeit.